Basler Medien, lasst uns vorwärts machen!

Die Bilanz zum ersten Basler Medientag fiel ernüchternd aus. Und einen zweiten wird es wohl nicht geben. Die beste Idee zur Medienförderung hat immer noch Online-Altmeister Peter Knechtli. Eine Einordnung.

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Der Branche geht es nicht gut: Ohne einen Ausbau der Medienförderung wird es nicht möglich sein, den für die Schweiz so wichtigen kleinräumigen Journalismus aufrecht zu erhalten.

Trotz der für die Schweiz inzwischen einmaligen Vielfalt der Medientitel am Rheinknie geht es der Branche nicht gut und ihre erhoffte Auferstehung ist in weitere Ferne gerückt. So traf kurz vor Ostern eine Mail ein: «Ob es einen zweiten Basler Medientag gibt, steht noch nicht fest», teilten die Organisator*innen mit.

Dabei war das Debut rein vom Aufmarsch her ein voller Erfolg. 140 Personen waren Anfang März zu einem ersten Medientag zusammengekommen, um gemeinsam zu schauen, wo der Schuh drückt. Chefredaktor*innen, Medienschaffende, Kommunikationsfachleute, Stiftungsvertreter*innen, Politiker*innen wollten neue Wege für die Finanzierung des Lokaljournalismus suchen. Diesem geht es schlecht, wie eine explorative Analyse der Stiftung Mercator zeigt: Ohne einen Ausbau der Medienförderung wird es nicht möglich sein, den für die Schweiz so wichtigen kleinräumigen Journalismus aufrecht zu erhalten.

Matthias Zehnder, Edito-Chefredaktor und Bajour-Mitgründer, nannte die Veranstaltung im kHaus im Nachgang einen «Grossaufmarsch mit wenig Phantasie». Tatsächlich wurde vor allem der Ruf nach mehr Stiftungsgeldern laut. Kein Wunder: In Basel hat man mit den vielen Stiftungen Glück, doch es ist fraglich, ob und wie lange sie die Rolle der öffentlichen Hand noch übernehmen werden. Von innovativeren Fördermodellen war hingegen kaum die Rede gewesen, von neuen Businessmodellen schon gar nicht.  So bleibt es dabei, dass gedruckte Zeitungen, Lokalradios und Lokal-TVs wie BaZ, bz und Telebasel vom Staat gefördert werden, Online-Publikationen wie Onlinereports, Bajour oder Prime News aber nicht. 

«Selbstverständlich findet ein Grossteil der Kultur regional statt. Bei der Versorgung durch Medien ist es nicht anders.» 

von Guy Krneta, Medienaktivist

Man war sich immerhin einig, dass der Faden (dennoch) aufgegriffen und weitergesponnen werden soll. Durch engagierte Köpfe. Dies zumindest ist gemäss Schreiben der Wunsch des Programmausschusses, zu dem unter anderen Gabi Mächler von der Stiftung Medienvielfalt sowie Matylda Walczak von der Christoph Merian Stiftung gehören. Am 23. April soll noch ein «Medien-Salon» in der Markthalle stattfinden, um die begonnenen Diskussionen weiterzuführen. Das wars dann aber vorerst. Mit dem Versand setzen Mächler und Co. einen vorläufigen Schlusspunkt.

Das ist angesichts des grossen Ressourcenaufwands zwar verständlich, gleichzeitig aber schade. Die Euphorie in der regionalen Medienbranche, bald eine Lösung aus der schwierigen Finanzierungslage zu finden, dürfte seit dem ersten Medientag nicht gerade gewachsen sein. So machte Regierungsrat Kaspar Sutter in einer Mischung aus Ehrlichkeit und Fantasielosigkeit bereits in seinem Grusswort deutlich, dass sich die Medien vom Kanton Basel-Stadt keine Unterstützung erhoffen können. Er sehe keine Möglichkeit, wie der Staat Medien fördern solle, ohne sich angreifbar zu machen. Er sieht die Verantwortung beim Bund und nicht bei den Kantonen. Dass Sutter nicht einmal ein kleines Türchen offen gelassen hat, bezeichnen Teilnehmende als «Affront». 

Kein Blumentopf zu gewinnen

Insbesondere das Argument, wonach das Problem national gelöst werden müsse, sorgt für Kritik, obschon hier gerade einiges im Tun ist (siehe Box). Es riecht ein bisschen nach heisser Kartoffel, die hin und hergeschoben wird. So sagt Medienaktivist Guy Krneta gegenüber Bajour: «In der Kulturpolitik wird gerade andersrum argumentiert und darum ist in der föderalistischen Schweiz die Kulturhoheit auch bei den Kantonen. Denn selbstverständlich findet ein Grossteil der Kultur regional statt. Bei den Medien bzw. der Versorgung durch Medien ist es nicht anders.» 

Bundesrat Albert Roesti spricht waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 28. September 2023 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Kriegt Bajour bald Geld von Rösti?

SVP-Medienminister Albert Rösti will Onlinemedien staatlich unterstützen. Der Anstoss kam von der Basler GLP-Nationalrätin Katja Christ. Wir haben mit mehreren Online-Redaktionen am Medienplatz Basel darüber gesprochen, was das für sie bedeutet.

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Krneta kündigte denn auch die Lancierung einer kantonalen Volksinitiative an. Der von ihm präsidierte Verein Medienzukunft Basel wolle nach den Gesamterneuerungsawahlen im Herbst – denn mit Medienförderung ist kein Blumentopf zu gewinnen – den Kanton auf den Medienartikel in der Verfassung behaften. Dieser besagt, dass der Staat «die Unabhängigkeit und Vielfalt der Information» unterstütze. «Dafür soll Basel ein paar Millionen Franken investieren», sagte Krneta. Dieses soll, wenn es nach Krneta ginge, über eine Stiftung verteilt werden.

Ein Vorstoss, dem Ähnliches vorschwebt, ist derzeit im Parlament hängig: GLP-Grossrat Johannes Sieber und Konsorten hatten kurz nach der Abstimmung über das 2022 vom Stimmvolk abgelehnte Medienpaket eine kantonale Medienförderung gefordert. Gerechtfertigt wurde der Anzug damit, dass Basel-Stadt 2022 der staatlichen Medienförderung zugestimmt hätte (55,3 Prozent Ja-Stimmen). Entsprechend solle der Kanton prüfen, ob, um die Unabhängigkeit und Vielfalt der Information zu unterstützen und den allgemeinen Zugang zu den Medien und Informationsquellen zu fördern, eine vom Kanton finanzierte Medienstiftung gegründet werden könne, etwa analog der Zürcher Filmstiftung. 

«Wir müssen jedes Engagement für eine Lösung begrüssen. Es ist 5 vor 12.» 

von André Moesch, Geschäftsführer Telebasel

Der Vorstoss zur Medienstiftung dürfte bereits im April beantwortet werden, bis dahin möchte sich Sutter nicht weiter zur Medienförderung äussern, wie seine Medienstelle mitteilt. Sieber sagt auf Nachfrage hingegen: «Ich hoffe schon, dass der Regierungsrat die Entwicklung rund um den 1. Basler Medientag anerkennt und darum meinen Vorstoss für eine kantonale Medienförderung nicht abschlägig beantwortet, sondern sich nun aktiv in den Diskurs einbringt, so wie das der Grosse Rat (mit dem Überweisen meines Vorstosses) angeregt hatte.»

Ausbildungsfonds bis Werbefenster

Sutter möchte in seiner baldigen Antwort auch die verschiedenen Medien-Fördermodelle beleuchten, die derzeit kursieren. Ziemlich unbestritten scheint hier die Idee eines Ausbildungsfonds zu sein; in diese Richtung versucht derzeit Medienunternehmer Matthias Zehnder mit einem Pilotprojekt zu denken, von dem auch Bajour profitieren würde. Die Idee: Kleinere Medien sollen Unterstützungsgelder für die Ausbildung von Praktikant*innen und jungen Medienschaffenden erhalten.

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«Ich hoffe schon, dass der Regierungsrat die Entwicklung rund um den 1. Basler Medientag anerkennt.»

Johannes Sieber, GLP-Grossrat

Eine mögliche Ausbilungsfinanzierung würde auch André Moesch, Geschäftsführer Telebasel, unterstützen: «Diese Idee fände ich verfolgenswert. Der Staat könnte so Medien unterstützen, ohne, dass der Vorwurf laut würde, er nähme Einfluss.» Moesch findet indes: «Wir müssen jedes Engagement für eine Lösung begrüssen. Es ist 5 vor 12.» 

So kursiert weiter der Vorschlag von Abo-Gutscheinen, wie sie Fribourg erst vor gut einer Woche eingeführt hat, dort nahm der Grosse Rat das entsprechende Medienförderungsgesetz an. Jugendliche erhalten somit ein digitales Jahresabonnement eines regionalen Mediums. Der Nachteil hier: Das Fördermodell käme vor allem bezahlten Medien zugute.

Jan Amsler, Co-Chefredaktor von Onlinereports, findet denn auch, Unterstützungsmassnahmen müssten allen zugute kommen. Er befürwortet deshalb die von seinem Vorgänger Peter Knechtli eingebrachten «Werbefenster»: Der Kanton bucht bei den Medientiteln eine deklarierte Werbefläche, die er für Bekanntmachungen nutzt, sprich: Inserate oder Banner oder PR-Beiträge. Amsler sagt: «Darin sehen wir den grossen Vorteil, dass die finanzielle Leistung des Kantons direkt abgegolten ist (Gegenleistung in Form von Werbung)». Es bestünde dann keine «Schuld» mehr, die die Titel in Verruf bringen könnte, wegen des finanziellen Zuschusses wohlwollend zu berichten.

«In einem Werbefenster sehen wir den grossen Vorteil, dass die finanzielle Leistung des Kantons direkt abgegolten ist.»

von Jan Amsler, Co-Chefredaktor von Onlinereports

Last but not least hat Johannes Sieber einen weiteren Vorstoss eingereicht, der teilweise in eine ähnliche Richtung zielt. So möchte der Kulturmanager, dass, angelehnt an die Idee des Werbefensters, die mediale Resonanz von Kultur gefördert wird, denn: Ohne Medien gäbe es keine Kultur, oder anders gesagt: Wenn niemand darüber redet, wird sie irrelevant. Als pragmatische Massnahme sieht Sieber beispielsweise «die Multiplikation von Veranstaltungsdaten aus der Datenbank der ProZ (ehem. Programmzeitung) mittels durch den Kanton finanzierter Inserate in Tageszeitungen und anderer Publikationen». 

Journalismus als kulturelle Leistung

Klar: Dieses Fördermodell wäre einfacher umzusetzen als klassische Medienförderung, denn den Kulturtopf gibt es im Gegensatz zum Medientopf bereits; der Kanton schüttet derzeit Millionenbeträge an kulturelle Aktivitäten jeder Art aus. Doch nur in die Kulturberichterstattung zu investieren, löst das Problem der Medienkrise auch nicht. Man sollte einen Schritt weiterdenken und glaubwürdigen Journalismus als Ganzen als eine (förderungswürdige) kulturelle Leistung an der demokratischen Gesellschaft anerkennen. 

Wer kein Interesse an (weiterer) Förderung hat bzw. keine Notwendigkeit sieht, darf natürlich darauf verzichten. So soll bei der BaZ und der bz laut Aussagen der Chefredaktoren am ersten Basler Medientag alles in Ordnung sein. Sie profitieren allerdings seit Jahren von indirekter Presseförderung, muss hier hinzugefügt werden. Die kleineren Blätter und Portale hingegen spüren die finanziellen Schwierigkeiten täglich. Und die Stiftungen werden nicht ewig bereit sein, als Lückenbüsser in die Bresche zu springen.

Die präsentierten Ideen sind niederschwellig und wären zumindest auf kantonaler Ebene einfach umzusetzen, wenn nötig auch erstmal befristet. Will man den schnell voranschreitenden Niedergang der Medienbranche aufhalten oder verhindern, muss gehandelt werden. Lieber heute als morgen. Am Ende ist es eine Frage des politischen Willens. Was es jetzt braucht, ist Pragmatismus und Mut.

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