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Bolzplatz

Der FCB auf dem Glatteis

Nein, es geht nicht um die diversen Ausrutscher in jüngster Vergangenheit: Didi-Kolumnist Nils schreibt im Bolzplatz Nr. 8 über das jahrelange Verhältnis zwischen FCB und EHC.

03/13/20, 05:22 AM

Aktualisiert 03/13/20, 10:32 AM

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In den Basler Nachrichten vom 27. Dezember 1949 findet sich eine kleine Meldung mit dem überraschenden Titel «Der FC Basel spielt Eishockey» – gegen den EHC. Der Autor versichert, dass dies keineswegs ein Silvesterscherz sei und niemand «aufs Glatteis geführt» werden sollte. Nein, der FC Basel sei ja schliesslich Wintermeister geworden und müsse sich nun auch im Wintersport beweisen. Den ersten Platz konnten die Basler in der Saison 1949/1950 allerdings nicht bis zum Saisonende im Sommer behaupten: Meister wurde Servette.

Aber zurück in den Winter 1949: Am 29. Dezember standen sich Fussballer und Eishockeyspieler auf der «Kunschti» gegenüber. Gut 10‘000 Basler*innen lockte dieses Spektaktel an – und sie sollten einiges geboten bekommen. Nach standesgemässem Einstand – die Spieler standen aufgereiht in der Feldmitte wie bei einem Spiel der Nationalmannschaft, statt des Schweizer Psalms ertönte jedoch der Wettsteinmarsch – machten sich die Sportler ans Werk.

Tobende Menge beim «Marathon der Lachmuskeln»

Dabei wurden die Regeln des Eishockeysports nicht immer ganz ernst genommen. Und falls doch, dann galten sie nur für die Gastgeber. Die Spieler des FCB kamen zur allgemeinen Belustigung immer wieder ins Straucheln, weil sie versuchten, den Puck in erster Linie mit dem Fuss zu spielen. Die Stöcke brauchten sie eher zur Stützung – zumindest behauptet dies der Sportreporter der Basler National-Zeitung. Wenn es beim FCB nicht gut lief, dann wurde kurzerhand eine ganze Fussballmannschaft eingewechselt oder das Tor verschoben. Dabei entpuppten sich auch die Schiedsrichter als FCB-Fans – goutierten sie doch die numerische Überzahl und die Mätzchen der Fussballer.

Es half alles nichts, die Eishockeyspieler waren klar überlegen, auch wenn der legendäre EHC-Verteidiger Emil Handschin statt des eigentlichen Torhüters zwischen den Pfosten stand. Wenn während dem «Marathon der Lachmuskeln», von dem in den Basler Nachrichten die Rede war, doch einmal ein FCB-Spieler ins EHC-Tor traf, tobte die Menge. Und damit nicht genug: Bei jedem Treffer des FCB wurde eine Rakete in den Basler Nachthimmel gejagt.

Trotz derart enthusiastischer Unterstützung waren die EHC-Spieler den Fussballern überlegen: Sie gewannen die Partie mit 21:7.

Auf den Geschmack gekommen waren die beiden Basler Sportvereine ein Jahr zuvor, als der FCB ebenfalls auf der «Kunschti» gastierte – auch da kamen über 2‘000 Zuschauer*innen. Es scheint, als hätte man die Sache ein Jahr später noch etwas besser vermarktet – davon zeugen nicht nur die diversen Inserate in den Basler Zeitungen, sondern auch die Zuschauerzahl: Es kamen mehr Leute, um sich das Spektakel auf dem Eis anzuschauen, als an die meisten FCB-Heimspiele dieser Saison. Entsprechend ansehnlich war auch der Gewinn des Benefiz-Spiels. Glaubt man dem damaligen FCB-Präsidenten Jules Düblin, floss dieser vollumfänglich in die «ohnehin etwas schwindsüchtige Kasse» des EHC Basel.

Lieber Eis als Rasen

Nach diesem Spiel massen sich die beiden Basler Sportvereine noch das eine oder andere Mal – auch auf dem Fussballfeld. Dort behielt – ebenfalls wenig überraschend – jeweils der FCB die Überhand. So zum Beispiel am 10. August 1950 auf der Schützenmatte. Bei diesem Duell war alles umgekehrt: Die Eishockeyspieler hatten so gut wie keine Regeln zu beachten, dafür konnten die Fussballer schalten und walten wie sie wollten. Markanter Unterschied zum Spiel auf dem Eis: Es fanden bloss 750 Zuschauer*innen den Weg ins Stadion.

Den FCB auf dem Glatteis zu sehen, schien weitaus attraktiver als den EHC beim Kicken zu beobachten. Dafür sprechen zumindest die Zuschauerzahlen: Zum nächsten Spiel auf der Kunsteisbahn am 21. Dezember 1950 kamen rund 8‘000 Zuschauer*innen. Im Club-Organ des FC Basel wurde neben dem Sieg der Eishockeyspieler auch auf das Pausenprogramm verwiesen, das die Menge nicht weniger zu begeistern vermochte.

Neben einem Kunstläuferpaar trat auch die «fasnächtlich herumgeisternde Jumpfere Josephine, alias Deppe Hügi» auf. Seine Tanzshow zog Seppe Hügi dann – unklar, ob freiwillig oder nicht, jedoch sicher zur Freude des Publikums – auch während des Spiels weiter.In der Saison 1952/53 gelang es der Mannschaft der Fussballer sogar, die Spieler des EHC zu bezwingen. Wenn auch unter nicht ganz regelkonformen Umständen: die FCB-Mannschaft wurde verstärkt, der EHC-Goalie spielte im Sturm und die Eishockeyspieler fassten viele Strafen. Trotzdem vermerkt der Autor im Club-Organ des FCB, dass sich die Fussballer den Sieg verdient hätten. Die Freundschaft zwischen den beiden Basler Sportvereinen festigte sich in den 1950er-Jahren.

Humorloser Quartierpolizist

Nachdem sich die Sportler zu Beginn der 1960er-Jahre erneut gemeinsam die Schlittschuhe schnürten, wurde die Tradition der Plausch-Spiele für ein paar Jahre auf Eis gelegt. Als es Anfang der 1970er-Jahre dem EHC zunehmend schlechter ging, erlebte der FCB auf dem Glatteis ein Revival. Böse Zungen behaupteten, der EHC organisiere dieses Spiel vor allem aus finanziellen Gründen. Dennoch fanden sich am 19. Dezember 1971 zwischen 4‘000 und 5‘000 Leute auf der Kunsteisbahn ein, um die «Neuauflage dieses in der Basler Sportwelt so beliebten Rivalenderbys» zu erleben. Die Zuschauer*innen wurden Zeug*innen eines Siegs der Fussballer – der EHC spielte unter der Woche im Tessin, am Samstag in Basel und am Sonntag das Plausch-Spiel gegen den FCB – das war zu viel des Guten für die Amateur-Eishockeyspieler, auch weil dem Gegner wieder nahezu alles erlaubt wurde.

Ob beim Sieg des FCB alles mit rechten Dingen zuging, konnte allerdings nicht mal der Schiedsrichter überprüfen — er wurde in den Schlussminuten unter einem umgekippten Tor festgehalten. Der einzige, der diesen Abend nicht mit Humor nahm, war der Chef des Gundeldinger Polizeipostens. Er schickte während des Spiels seine Leute los, um die zahlreichen Parksünder vor Ort zu büssen.

Unsere Nummer Eins wenns um kuriose Fussball-Trivia geht: Nils Widmer, macht Geschichte und Germanistik an der Uni Basel und ist freier Mitarbeiter beim Regionaljournal Basel. Mag Fussball und den FCB, obvs.

Unsere Nummer Eins wenns um kuriose Fussball-Trivia geht: Nils Widmer, macht Geschichte und Germanistik an der Uni Basel und ist freier Mitarbeiter beim Regionaljournal Basel. Mag Fussball und den FCB, obvs.

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