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Preisgünstiges Wohnen in Rosental Mitte: «Was heisst das genau, wie günstig und für wen?»

Im Sandgrubenschulhaus wurden die Pläne zur Öffnung der «verbotenen Stadt» zwischen Badischem Bahnhof und Messe vorgestellt. Dann gings ans Eingemachte. Alle Fragen und alle Antworten aus dem Quartier gibts hier.

01/28/20, 04:11 PM

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NEU: Das Logo des Transformationsareals Rosental Mitte.

NEU: Das Logo des Transformationsareals Rosental Mitte.

Basel baut. Rund 30’000 Arbeitsplätze und 20’000 zusätzliche Einwohner*innen soll die Stadt laut kantonalem Richtplan bis 2035 erhalten und ein Teil davon wird in der verbotenen Stadt unterkommen.

Verbotene Stadt, oder wie die Stadtplaner das Gebiet zwischen Badischem Bahnhof und Messegelände heute nennen: Rosental Mitte. Die Einwohnergemeinde hat das Areal 2016 gekauft, es hat seit kurzem eine eigene Homepage. Und ein eigenes Logo. Das Logo prangt neuerdings auch auf dem früher von BASF besetzten Schild an der Mattenstrasse, damit es alle erfahren: Hier geht was, hier ist etwas im Gange. 

ALT: So sah das Leuchtschild bis vor kurzem noch aus, wie ein Blick auf Google Maps verrät.

ALT: So sah das Leuchtschild bis vor kurzem noch aus, wie ein Blick auf Google Maps verrät.

Quartierbewohner*innen besehen sich das Modell von Rosental Mitte ganz genau.

Quartierbewohner*innen besehen sich das Modell von Rosental Mitte ganz genau.

Am Montagabend, dem 27. Januar fand im Sandgrubenschulhaus eine öffentliche Anhörung zum Städtebaulichen Leitbild statt. Barbara Rentsch, die Leiterin des Portfoliomanagements Immobilien Basel-Stadt und Beat Aeberhard, der Kantonsbaumeister, standen Red und Antwort.

Drei Tage zuvor war die Stadt in verschiedenen Medien über das Städtebauliche Leitbild informiert worden. Und vor allem die Nachbar*innen von Rosental Mitte hatten sich informiert, das wurde an dieser Anhörung deutlich. Rentsch und Aeberhard hielten ein Input-Referat. Dann ging es ans Eingemachte.

Der Saal war gerammelt voll, die Menschen hatten präzise Fragen. 

Frage 1: Das Leitbild sieht vor, insbesondere wertschöpfungsintensives Gewerbe und Forschung unterzubringen. Wo bleibt das Kleingewerbe? KMUs? Für die hat es in der Stadt zu wenig Platz.

Rentsch: «Es wird schwer zu realisieren sein, dass im Neubaubereich günstiger Gewerberaum entsteht, dafür ist die Lage einfach ein bisschen zu zentral. Aber in den Bestandesbauten sind solche Nutzungen möglich. Wir denken da insbesondere an Bauten, die während der Transformation für mehrere Jahre zur Zwischennutzung freigegeben werden könnten.»   

Frage 2: Was passiert mit den Wohnhäusern im Innern des Areals? Kann es sein, dass die einer Wohngesellschaft abgegeben werden, die dann auf dem Boden des Kantons Rendite erzielt? Oder werden Sie sich dafür einsetzen, die sozialen Ziele der Wohnraumförderung einzuhalten?

Rentsch: «Die ersten Umnutzungen, zwei Gebäude an den äusseren Rändern der Sandgrubenstrasse, werden an Genossenschaften abgegeben. Ein Gebäude im Innern des Areals ist für das Wohnprogramm 1000+ vorgesehen, mit dem die Stadt bis 2035 1000 preisgünstige Wohnungen bauen soll. Über das ganze Areal betrachtet ist mindestens ein Drittel der Wohnungen im preisgünstigen Segment vorgesehen. Die Regierung hat dieses Areal nicht zu Renditezwecken gekauft.»

Anschlussfrage: Was bedeutet eigentlich preisgünstig und warum sagen Sie nicht gemeinnützig?

Aeberhard: «Wir sprechen von preisgünstigem Wohnraum, weil das mehr Spielraum lässt beziehungsweise mehr beinhaltet. Gemeinnütziger Wohnraum bezieht sich «nur» auf Genossenschaften und es werden auch, aber eben nicht nur, Genossenschaftswohnungen entstehen. Die Definition dessen, was preisgünstig bedeutet, ist zur Zeit in Bearbeitung und soll in absehbarer Zeit in den Richtplan geschrieben werden.» 

Frage 3: Was heisst das, wenn Sie von wertschöpfungsintensivem Gewerbe sprechen? An welche Branchen denken Sie konkret?

Rentsch: «Unser Ziel ist es, dass wir nicht alle Gebäude selber bauen, sondern bestimmte Parzellen im Baurecht an andere Firmen vergeben. Was das für Firmen sind, ob sie, wie die bereits vorhandenen Arbeitgeber, in der Chemie oder Forschung tätig sind, muss sich weisen.» 

Frage 4: Gibt es bereits ein Energiekonzept für dieses Areal und wie sieht das aus?

Aeberhard: «Ziel ist es, Rosental Mitte zu einem CO2-neutralen Stadtteil zu machen. Das heisst, dass sowohl wir, als auch andere Firmen sich an strenge Vorgaben zu halten haben. Das ist ein wichtiger Punkt, denn es geht hier darum, einen wichtigen Teil der Stadt in eine neue Zukunft zu führen. Das Areal gehört der Stadt, die Bevölkerung und das Parlament spricht mit. Wir orientieren uns an hohen Zielen.» 

Frage 5: Das Leitbild entstand unter der Leitung von Herzog und de Meuron. Warum gab es keinen Wettbewerb aus dem verschiedene Entwickler ausgewählt wurden?

Aeberhard: «Wichtig ist: Was wir heute haben, ist ein Leitbild, mehr nicht. Der Auftrag an Herzog und de Meuron ist hiermit abgeschlossen, das Büro baut hier erst einmal gar nichts. Bevor der Kanton das Areal 2016 gekauft hat, hatte bereits eine Firma im Direktmandat mit Herzog und de Meuron an der Entwicklung der Zone gearbeitet. Es hat einfach keinen Sinn gemacht, mit anderen Entwicklern nochmal bei Null zu beginnen.»

Was die Leute ausserdem denken

Rund eine halbe Stunde dauerte die Fragerunde, dann teilten sich die Menschen in kleinere Arbeitsgruppen auf, um über Bedürfnisse in Sachen Nutzung, Bebauung, Freiräume und Mobilität zu sprechen. Es waren vor allem ältere Menschen da, aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Areals. Aber auch junge waren gekommen, zum Beispiel Jonas aus der Mattenstrasse

Er verstehe nicht, warum die Stadt nicht einfach sage: 100 Prozent des Wohnraums geht raus in Kostenmiete. Das könne sie doch tun, wenn sie sagt, sie will keine Rendite erwirtschaften. Das Gerede von preisgünstigem Wohnraum ist ihm zu schwammig. Damit hält sich Immobilien Basel-Stadt alle Optionen offen.

Ein älteres Ehepaar wohnt seit 1993 im Quartier. Sie fürchten in erster Linie den bevorstehenden Baulärm, aber die Öffnung des Areals in verschiedene Richtungen und die versprochenen Freiräume, die finden sie gut. 

SP-Grossrat Tim Cuénod wollte sich an der Präsentation einen ersten Eindruck verschaffen. Ihn beschäftigt vor allem, dass mit den geplanten 3000 bis 5000 neuen Arbeitsplätzen, aber nur Raum für 1100 bis 2200 neue Bewohner*innen, die Schere zwischen Wohnraum und Arbeitsplatz weiter aufgeht im Kanton. Das sei ökologisch bedenklich aber in diesem Fall entschuldbar, weil das Areal so gut an den öffentlichen Verkehr angebunden sei. «Auf anderen Entwicklungsarealen muss man diese Schere wieder schliessen». 


Mission Kommunikation geglückt

Insgesamt dürfen die Planungsverantwortlichen den Abend als Erfolg verbuchen. Die Stimmung war gut, die grossen Kontroversen, die etwa rund um den Bau möglicher Hochhäuser erwartet werden konnten, blieben aus.

Das lag auch an der perfekt orchestrierten Präsentation Aeberhards und Rentschs, die in Ablauf und Wording immer wieder durchblitzen liess, dass sich die Verwaltung auf keinen Fall irgendwelche kommunikativen Fehltritte erlauben wollte.

Dafür war es bestimmt kein Zufall, dass der Bau der beiden Genossenschaftshäuser ganz am Anfang der Präsentation dran war und auch in der Planung vorrangig behandelt wird. Und als es um die Fassadengestaltung der Bestandesbauten ging, sagte Aeberhard, man werde bestimmt nicht «irgendwelche Glaspaläste» erstellen, sondern eine zurückhaltende Farbgebung anstreben. 

Interessant war auch, dass in der Diskussion wiederholt auf die Klimaverträglichkeit des Entwicklungsgebiets hingewiesen wurde, ohne dass die Planer*innen das von sich aus zum Thema gemacht hätten.

Einige Nachbar*innen befürchteten, zwischen den Hochhäusern könnten Hitzestaus entstehen. Andere verlangten konsequent begrünte Fassaden. Das Klima-Thema, das konnte man auch an diesem Abend wieder feststellen, hat sich ins Bewusstsein der Menschen gegraben und geht da nicht mehr weg. 

Die Gegner*innen der Klimabewegung schimpfen ja gerne auf die «Ökodiktatur». An diesem Abend im Sandgrubenschulhaus wirkte das Einfordern von Veränderungen eher wie eine direkte Ökodemokratie. So oder so: Rosental Mitte wird zu einem spannenden städtebaulichen Projekt werden. Und zu einem Labor basisdemokratischer Beteiligung. Die Ansprüche sind angemeldet. 

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Korrektur: Das Areal Rosental Mitte wurde von der Einwohnergemeinde BS gekauft und nicht, wie in einer ersten Version des Textes geschrieben stand, von der Bürgergemeinde.

In einer früheren Version dieses Artikels hiess es auch, der Begriff «Aufwertung» sei bei der Präsentation der Stadtplaner kein einziges Mal gefallen. Das ist falsch, wie wir von einem Leser und Besucher der Anhörung erfahren. In Bezug auf die Öffnung in Richtung Messegelände war von einer «Aufwertung der Mattenstrasse» die Rede. Wir bitten die beiden Fehler zu entschuldigen.

Wie Tag und Nacht: So könnte der Platz an der Schwarzwaldallee, wo früher der Hauptsitz der Ciba Geigy stand, dereinst aussehen.

Wie Tag und Nacht: So könnte der Platz an der Schwarzwaldallee, wo früher der Hauptsitz der Ciba Geigy stand, dereinst aussehen.

Heute sieht er so aus: Ein massives Gittertor verwehrt den Zugang zum Freiraum gegenüber dem Badischen Bahnhof.

Heute sieht er so aus: Ein massives Gittertor verwehrt den Zugang zum Freiraum gegenüber dem Badischen Bahnhof.

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