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Ein Wichser kommt nach Basel – was nun?

Der Komiker Louis C.K. hat sexuelle Belästigung zugegeben. Jetzt ist er wieder on Tour. Darf er das?

Andrea Fopp

11/11/19, 02:43 PM

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Lachen oder Weinen?

Lachen oder Weinen? (Foto: Charles Etoroma via Unsplash)

Sexismus und Humor hatten es auch schon einfacher zusammen. Die weibliche Emanzipation verdirbt inzwischen die lange todsicheren Rezeptzutaten jedes unbedarften Schenkelklopfers. Unreflektiert zusammengepanscht und als frauen*feindlicher Witz an die Öffentlichkeit gebracht, gibts nicht mehr nur billige Lacher, sondern auch einen galligen Shitstorm. Und das ist gut so.

Der US-amerikanisch-mexikanische Stand-up-Comedian Louis C.K. hat öffentlich zugegeben, Frauen* (meist Nachwuchskomikerinnen*) sexuell belästigt und vor ihnen masturbiert zu haben. Jetzt tritt er im November in Basel auf – und sorgt damit für Kritik.

Der Auftritt von Louis C.K. hat auch auf der Bajour-Redaktion zu intensiven Grundsatz-Diskussionen geführt. Man will ja liberal sein, nicht wahr – nichts ist unter Journalist*innen verpönter als die Sittenpolizei. Gleichzeitig, so stellen wir uns vor, fühlt es sich als Opfer sexueller Belästigung richtig daneben an, wenn der Peiniger bereits wieder eine Bühne erhält. Und dann auch noch Witze über die Opfer reisst und damit Geld verdient.

Entscheidend für Humor ist der Kontext

Noch im November 2017, kurz nachdem fünf Frauen* Übergriffe durch ihn öffentlich gemacht hatten, schrieb Louis C.K. in einem Statement: «Ich werde mich nun zurückziehen und mir Zeit nehmen, um zuzuhören». 

Lange hörte er allerdings nicht zu, bereits zehn Monate später betrat er erneut die Bühne. Und er liess es sich laut amerikanischen Medien auch nicht nehmen, kurz darauf direkt auf die sexuelle Belästigung anzuspielen: «Ich hole mir gerne einen runter und ich bin nicht gerne alleine.»

Gewissensbisse tönen anders. Selbstironie auch. Louis C.K. ist als Comedian seit jeher bekannt dafür, dorthin zu gehen, wo es richtig weh tut. Berühmt-berüchtigt etwa sein Witz über Vergewaltigungen (Man kann ihn hier nachschauen, aber Achtung Triggergefahr) aus dem Jahr 2016, also aus der Zeit, bevor die New York Times die Übergriffe publik machte.

Mit gutem Willen kann man Witze auf Kosten von Vergewaltigungsopfern als Kritik an sexistischer Gewalt verstehen. So gab es in der Vergangenheit Leute, die Louis C.K. als Feminist sahen. Entscheidend für Humor ist aber der Kontext: Es fällt schwer, Ironie im Vergewaltigungswitz zu erkennen, seit man weiss, dass Louis C.K. sich in der Realität tatsächlich genommen hat, was er wollte, ohne Rücksicht auf die Frauen*. Man fragt sich, ob die einzige Pointe die war, dass einer öffentlich seine Frauen*verachtung vor sich her trug.

Wo hört Satire auf oder: Wo fängt sie an?

Falls es so war: Was bedeutet das? Muss man ihn deswegen verbannen? Oder verstösst das gegen die künstlerische Freiheit? Hinter diesen Frage verbirgt sich eine noch kompliziertere Frage: Wo hört Satire auf und fängt Diskriminierung an?

Weil wir auf der Bajour-Redaktion mit der Beantwortung rangen, suchten wir auf Facebook Hilfe beim Nachdenken. Der Basler Schriftsteller Guy Krneta, Mitglied des Vereins für Medienzukunft, der Bajour unterstützt, antwortete:

In der Tat beschleicht einen der Verdacht, dass sich hinter Humor, der nach unten tritt, künstlerisches Unvermögen verbirgt. Es gibt zwar immer noch Leute, die Louis C.K. für «einen der besten Komiker der Gegenwart» halten. Doch sind wir ehrlich, nichts ist anspruchsloser, als Witze auf Kosten von Transmenschen, Homosexuellen, Schwarzen oder Opfern des Holocaust zu machen, wie es Louis C.K. immer wieder tat. Die Kunst der selbstironischen Pointe beherrschen dagegen nur wahre Könner*innen. 

Darf man dem Täter eine Bühne bieten?

Für die Aargauer Feministin und freie Journalistin, Miriam Suter, geht es bei der ganzen Diskussion nicht um das Niveau der Witze oder die künstlerische Freiheit, sondern um die sexuelle Belästigung an und für sich. Es gehe um die Frage, ob man jemandem, der sexuelle Gewalt ausgeübt habe, eine Bühne geben dürfe.

Zwar kennen wir in unserer Gesellschaft die Kultur der Vergebung und Resozialisierung. Louis C.K entschuldigte sich zwar ein kleines bisschen, machte danach aber, wie gesagt, sogar Witze über seine Taten. Suter schreibt deshalb: «Dass er jetzt schon wieder auf Tour geht und es viele Veranstalter wenig bis nicht interessiert, finde ich, naja, einen Schlag in die Fresse der #metoo-Bewegung.» 

Wobei: So egal war es den Veranstaltern dann auch wieder nicht, zumindest nicht allen. Louis C.K. hätte eigentlich in Zürich auftreten wollen – war aber weder im Volkshaus noch in der Maag Halle willkommen. Franz Cahannes, Volkshaus-Geschäftsleiter, sagte gegenüber dem «Tages-Anzeiger» (Paywall): «Wir haben uns über Louis C.K. informiert und entschieden, dass wir uns nicht im Spannungsverhältnis von sexuellen Übergriffen bewegen wollen.» Auch die Maag-Halle erteilte ihm aufgrund seiner «Inhalte» eine Absage.

Verfechter der Meinungsfreiheit? Nein.

Basel entschied anders als Zürich. Das Congress Center, das zur MCH Group gehört, hat Louis C.K. grünes Licht erteilt, der Comedian tritt nun am 26. November hier auf. «Wir sind keine ideologische Zensurbehörde», begründete Jonas Scharf, Leiter des Congress Center zu Bajour, seinen Entscheid. Louis C.K. mache ja nichts Illegales.

Das vielleicht nicht. Aber Louis C.K. macht etwas Feiges: Er scheut die Debatte. Seine Show ist brandneu, er hat das Programm vor zwei Wochen zum ersten Mal aufgeführt. Doch worum es geht, weiss man nicht. Denn: Louis C.K. verbietet es den Zuschauer*innen, Aufnahmen zu machen, nicht einmal Notizen seien erlaubt, schrieb die New York Times. Louis C.K, der mit seinen politisch inkorrekten Witzen als Verfechter der Meinungsfreiheit aufritt, scheut die öffentliche Meinung über sein Programm. Und gibt es sogar noch öffentlich zu. So liess sein Veranstalter gegenüber Bajour verlauten, Louis C.K. wolle keine Medienberichterstattung, die Gründe dafür könne man sich vorstellen.

Ja, kann man sich durchaus. Ist ja logisch, dass die Öffentlichkeit Louis C.K.’s Witze nach seinen Übergriffen kritisch begutachtet. Wirklich? Ja, im Frauen*jahr 2019 ist es das wirklich. Seit #Metoo, dem Women’s March und dem Frauen*streik können öffentliche Personen nicht unhinterfragt Frauen* runtermachen, nur weil sie Frauen* sind. Wer sich sexistisch äussert, muss mit Kritik rechnen – und nicht nur mit Kritik von ein paar vereinzelten Feminist*innen, sondern mit Kritik von öffentlichen Institutionen wie Kulturhäusern.

Ein Gradmesser dafür, was zu tun ist

Und es ist auch Zeit. Zeit, dass darüber diskutiert wird, ob sexistische Witze Humor sind, oder einfach ein Mittel, um Frauen* klein zu halten. In Zeiten, in denen Religion als moralische Richtschnur wegfällt, ist es an der Gesellschaft, auszuhandeln, was richtig und falsch ist, das gehört zur Moderne dazu. Einer, der austeilt wie Louis C.K., muss sich dann auch nicht darüber beklagen, dass ihm seine «Witze» – und vor allem seine Übergriffe – um die Ohren fliegen.

Auf der anderen Seite sei aber auch dem Congress Center selbst überlassen, zu entscheiden, ob sie Louis C.K. ihre Räumlichkeiten vermieten wollen oder nicht. Wer sich nicht stört, wenn ein wichsender Comedystar Machtmissbrauch begeht, heute darüber Witze macht und damit sein Geld verdient, soll da hin gehen. Man kann das als Gradmesser dafür nehmen, wie viel aus Frauen*sicht noch zu tun ist.

Die Vorstellung für Louis C.K. ist inzwischen ausverkauft. Deshalb gibt es eine zweite Show am selben Tag.

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