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Alte Männer, weisse Fahnen

Bajour stritt über das Gendersternchen. Und holte sich Rat bei der Community.

09/09/19, 12:01 PM

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Ein Redaktionsstreit in 1 Akt. Basiert auf wahren Begebenheiten.

Ausgangslage:

Letzte Woche kam bei Bajour die Frage auf, ob die Redaktion das Gendersternchen in Text und Auftritt berücksichtigen soll. Und es gab ein Gschtürm.

Besetzung:

Mitarbeiter*in 1: Feuer und Flamme für all things Stern

Mitarbeiter*in 2: Steht zu Mitarbeiter*in 1

Mitarbeiter*in 3: War das Thema bereits in den 80ern leid

Mitarbeiter*in 4: Ist dafür, lässt sich schliesslich gut verkaufen

Mitarbeiter*in 5: Ist grundsätzlich schon dafür, aber...

Mitarbeiter*in 1 Wir sollten uns noch über das Gendersternchen unterhalten. An der letzten Podiumsdiskussion haben mich drei Leute darauf angesprochen. Auf unserem Plakat standen so Dinge wie «Schüler», «Lehrer». Alles im generischen Maskulinum.

Mitarbeiter*in 5 So Dinge?

Mitarbeiter*in 4 Das geht dann eher unter generisches Neutrum, oder (lacht)

Mitarbeiter*in 3 Wie damals in den 80ern..

Mitarbeiter*in 1 Ich mein's ernst, Leute. Ich finde, wir müssen da konsequent sein. In Basel gibt’s eine riesige feministische Community und keine der anderen Medien nimmt die richtig wahr. Wir haben gesagt, wir wollen das anders machen und dazu gehört die Auseinandersetzung mit genau solchen Dingen wie dem Gendersternchen

Mitarbeiter*in 3 Ich habe ja viele Jahre Linguistik studiert und da gab es..

Mitarbeiter*in 5 Ich bin grundsätzlich ja auch dafür, dass wir das Sternchen brauchen. Wir müssen einfach aufpassen, dass das gewissen Lesern nicht sauer aufstösst. Dieses ganze Gerede von feministischer Berichterstattung, da wird plötzlich die Form wichtiger als der Inhalt.

Mitarbeiter*in 4 Du meinst Leser*innen

Mitarbeiter*in 3 ..diese Frau. Luise F. Pusch. Begründerin der feministischen Linguistik. Die wollte das generische Neutrum zum Standard machen...

Mitarbeiter*in 5 Ich mein nur: Es ging uns ursprünglich darum, eine ganze Region mit ihren relevanten Themen abzuholen. Bajour soll doch in erster Linie eine von vielen Menschen erwartete Alternative zu den noch verbleibenden Medien hier sein.

Mitarbeiter*in 3 ..das fand ich damals schon anstrengend.

Mitarbeiter*in 2 Aber das Thema Genderstern ist im Moment doch sehr relevant? Alle reden darüber.

Mitarbeiter*in 5 Nicht alle. Relevant bedeutet, dass möglichst viele Menschen betroffen und interessiert sind. Und nicht nur eine kleine Gruppe.

Mitarbeiter*in 1 Interessieren ist nicht gleich betreffen. Die Debatte um das Gendersternchen geht viel weiter als blosses «Sollen wir es brauchen oder nicht?» Da hängt ein ganzes System mit dran, das mit dem generischen Maskulinum eine ungleiche Gesellschaft aufgebaut hat. Sprache ist wichtig!

Mitarbeiter*in 5 Ich finde halt einfach nach wie vor, dass dieses Thema nur eine gewisse Zielgruppe anspricht. Der Rest der Leserinnen und Leser steigt aus wenn sie so ein Sternchen in einem Text sehen.

Mitarbeiter*in 3 Das stimmt tatsächlich. Ich habe seit den Achtzigern immer wieder Untersuchungen zu Leseverhalten gemacht und es ist nun mal einfach eine Tatsache, dass Leser aussteigen wenn sie so Dinge wie Fremdwörter, Abkürzungen oder Sternchen im Text sehen.

Mitarbeiter*in 1 Ja, aber wollen wir nun eine visionäre Alternative sein oder nicht? Wenn ja, dann muss Schluss sein mit diesen Pauschalargumenten. Wir müssen Leser*innen auch aufzeigen, dass solche Themen Teil ihrer Lebensrealität sind und nicht nur abbilden, wovon sie eh schon überzeugt sind, es gehe sie was an.

Mitarbeiter*in 4 Das erinnert mich an den Sesamstrasse-Song: Der, die, das / Wer, wie, was / Wieso weshalb warum? / Wer nicht fragt bleibt dumm.

Mitarbeiter*in 1 Dumm ist hier nur die Tatsache, dass wir das Sternchen nicht einfach ohne Diskussion einsetzen. Es ist 2019 for god’s sake! Wir reden immer von uns als Alternative zum Gorilla-Journalismus. Und das ist doch genau eine Eigenschaft des Gorilla-Journalismus: Immer wieder das Argument zu bringen, das hätte man halt schon immer so gemacht. Weil das Leser*innen angeblich so wollen oder sehen oder was weiss ich. Und trotzdem stecken alle in der Krise. Wenn wir anders sein wollen, dann müssen wir konsequent neue Wege einschlagen und nicht mit den immergleichen Gegenargumenten kommen.

Mitarbeiter*in 5 Und auf's Spiel setzen, dass wir Leser damit vergraulen?

Mitarbeiter*in 1 Ja, dann halt. Lieber eine starke Marke, die zu ihren Prinzipien steht, als es allen immer recht machen zu wollen. Das verwässert nur alles. Und verwässert ist gleich unglaubwürdig.

Mitarbeiter*in 5 Ich sage ja nicht, dass ich dagegen bin. Ich finde einfach, wir müssen das Gendersternchen nicht per se zur Debatte machen.

Mitarbeiter*in 2 Also wir reden seit 20 Minuten drüber. Das ist eigentlich ein klares Zeichen dafür, dass es ein Debattenthema ist.

Mitarbeiter*in 4 Braucht einfach das Sternchen und gut ist. Die alten weissen Männer haben längst die weisse Fahne gehisst! Murmeln einfach noch biz rum, sind aber wild entschlossen, in den Sternli-Kurs zu kommen.

Mitarbeiter*in 1 Also was jetzt?

Mitarbeiter*in 5 Wir brauchen das Sternli, reiben es aber nicht so penetrant jedem unter die Nase.

Mitarbeiter*in 4 Find ich gut.

Mitarbeiter*in 3 Ihr kennt meine Meinung.

Mitarbeiter*in 1 Ihr meine auch.

Mitarbeiter*in 2 sagt nichts

Mitarbeiter*in 5 sagt nichts

Mitarbeiter*in 4 Seid nicht so streng, fragt einfach die Community.

Mitarbeiter*in 1 Okay. Aber das generische Maskulinum steht nicht zur Debatte, oder? Entweder wir machen Sternli oder nutzen konsequent nur die weibliche Form, Männer sind dann mitgemeint.

Mitarbeiter*in 2 Bist du sicher? Dann müssen wir nachher aber auch darauf hören, was die Community sagt.

Epilog:

Gesagt, getan. Die Bajour-Redaktion fragte auf Facebook nach: Wollt Ihr das generische Femininum oder das Gender-Sternli? Und die Community hat entschieden: Hopp Gender-Sternli.

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