Der Generationenvertrag lebt

Nach der Abstimmung zur 13. AHV heisst es, die Alten hätten die Jungen überstimmt, die nun ungewollt die Zeche für den Rentenzustupf zahlen müssen. Aber stimmt das?

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Wer hat hier wen in der Hand? (Quelle: Unsplash/Gemma Evans)

Mit Sprachbildern wurde am vergangenen Abstimmungssonntag sicher nicht gespart. Wem die Zeitenwende-Rhetorik zum «historischen» Ergebnis (erstmals nahm das Volk eine gewerkschaftliche Initiative zum Ausbau des Sozialstaats an) noch nicht genug war, dem servierten junge liberale Politiker (ungegendert) die volle Dosis Pathos: Kondolenzschreiben an die AHV hier, Grabreden für den Generationenvertrag da.

Das metaphorische Grab für den Generationenvertrag – dieser beschreibt das solidarische Grundprinzip der Rente: dass Arbeiter*innen die Rente der Pensionär*innen mitfinanzieren – reichert der grünliberale Zürcher Jungpolitiker David Noser noch mit einem Diebstahl-Narrativ an: Die Alten hätten ungefragt 100 Millionen von den Jungen geklaut. Der Generationenkonflikt, gegossen in ein Abstimmungsergebnis.

Aber: Gab es diesen Generation-Gap überhaupt? Haben die zahlreichen Senior*innen und bald pensionierten Babyboomer die junge Generation überstimmt?

13. AHV Nachwahlbefragung
Befragt wurden 30'384 Schweizer*innen. (Quelle: Tamedia/LeeWas)

Konkrete Zahlen liefert die repräsentative Nachwahlbefragung von Tamedia. 60 Prozent der befragten Jungen (bis 34) lehnten die 13. AHV ab, während die bald pensionierte Generation (50 bis 64) mit 68 Prozent zustimmen – die bereits Pensionierten (ab 65), welche am Unmittelbarsten von einer Rentenerhöhung profitieren, stimmten zu 78 Prozent zu.

«Diese Erkenntnis zeigt uns, dass es zwar durchaus einen Altersgraben gibt. Das macht auch Sinn, da der Problemdruck der älteren Generation ein anderer ist», sagt Sandro Lüscher, Politologe an der Universität Zürich. «Das erhält nun sehr viel Aufmerksamkeit, obwohl der Graben nicht so ausgeprägt ist: Denn die junge Generation lehnte die Vorlage nicht so klar ab wie die alte sie befürwortete, dass man davon sprechen kann, dass sie überstimmt wurde.» Ein Ende des Generationenvertrags, wie es jetzt beschworen wird, lässt sich damit nicht belegen.

Altersstruktur und Abstimmungsverhalten BL
Sieht kompliziert aus und ist es auch: Eine Korrelation zwischen Alter und Abstimmungsverhalten sieht man im Baselbiet nicht. (Quelle: Grafik: Sandro Lüscher/Daten: BFS und Amt für Daten und Statistik BL)

Lüscher hat die Altersstruktur Baselbieter Gemeinden abgeglichen mit der Zustimmung zur 13. AHV. «Dass die Altersstruktur einen klaren Effekt auf die Abstimmung hatte, lässt sich daran nicht beobachten. Tendenziell war die Zustimmung sogar eher stärker in Gemeinden mit einem höheren Anteil junger Menschen.» Faktoren wie Einkommen und Vermögen sowie Parteinähe (mit Ausnahme der SVP, deren Anhänger*innenschaft gespalten war) seien viel entscheidender für die Abstimmung gewesen. Dort würde sich ein deutlicher Effekt auf die Abstimmungsergebnisse zeigen.

David Noser, der eben noch den Generationenvertrag beerdigen wollte, legte dann am Montag auf X einen Vorschlag vor, mit dem der Frieden zwischen Jung und Alt aufrechterhalten werden soll: eine Erhöhung der Vermögenssteuer. Damit solle die reichere Schicht die ärmere finanzieren. Da Jüngere im Gegensatz zu älteren Menschen oft noch kein Vermögen haben, wäre insbesondere die ältere Generation betroffen. Noser findet das richtig und schreibt auf X: Wenn schon hauptsächlich die Alten für eine 13. AHV waren, sollen es auch die Alten zahlen.

Darüber hinaus steht übrigens noch nicht einmal fest, ob überhaupt die Jungen die 13. AHV finanzieren müssen. Denn die Finanzierung wird im Initiativtext offen gelassen. Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider muss nun eine Vorlage ausarbeiten. Im Abstimmungskampf wurden hauptsächlich zwei Optionen diskutiert: Die Bürgerlichen liessen verlauten, dass man nicht um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer herumkomme. Das würde alle Konsument*innen betreffen, insbesondere aber jene mit eh schon kleinem Geldbeutel, egal welchen Alters. Die Linken verwiesen auf eine Erhöhung der Lohnbeiträge für Arbeitnehmer*innen und -geber*innen. Das würde also teils auf Kosten der arbeitenden Generation gehen.

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