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Wo bitte geht’s denn hier zum Darknet? Update: Die Pille ist da!

Drogen bestellen im Underground-Internet – geht das? Und: Ist es schwierig? Ein Erfahrungsbericht.

10/17/19, 11:01 AM

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Wir haben ein Hacker-Stockphoto nachgestellt und ja, es ist schlecht. Aber nicht das schlechteste...

Wir haben ein Hacker-Stockphoto nachgestellt und ja, es ist schlecht. Aber nicht das schlechteste...

Um ins Darknet zu gelangen, braucht man einen speziellen Browser, der «Tor» heisst. Das wusste ich bereits. Und dass die Drogen auf «Marktplätzen» gehandelt werden und dass einer davon «Silkroad» hiess, ehe er geschlossen worden war, wusste ich auch. Mehr wusste ich nicht, als ich mich am vergangenen Dienstag in den düsteren, weil verborgenen Teil des Internets begeben habe – ins Darknet.

Eines vorneweg: Dies soll keine Anleitung zum Drogen-Bestellen werden. Sondern ein Abbild der Realität: Wer illegale Drogen will, muss nicht mehr hinter der Barfi-Kirche auf einen Dealer warten, sondern braucht nur einen Internetzugang, Bitcoins und ein wenig Geduld. Weil dieser Text keine Anleitung zum Drogenbestellen sein soll, schreibe ich nicht, wie ich den Marktplatz gefunden habe und wie ich sichergestellt habe, dass es sich um den «echten» Marktplatz handelt und nicht um eine der zahlreichen Fakes, die darauf aus sind, meine Bitcoins abzuzwacken. Aber ich kann davon berichten, dass ich ihn gefunden habe und dass ich mich dort seit der Registrierung als «mrweb2290» herumtreibe.

Ich bin grundsätzlich ein Shopping-Muffel. Doch im Darknet-Markt konnte ich nicht genug kriegen vom Herumstöbern. Die erste Abteilung heisst «Betrug», dort werden Dinge wie gestohlene Kreditkartendaten oder Ausweise aller Art angeboten. Tausende Händler versuchen mit Hunderttausenden von Produkten ihr Glück. Kleider, Schmuck, Geld – ja ganze Identitäten sind dort zu haben. Doch das Bajour-Monatsthema heisst Rausch, also weiter zu “Drogen und Chemikalien”.

Das Angebot ist auch hier riesig: Ecstasy, Speed, Kokain, Crystal Meth und Dutzende weitere Unterkategorien sind aufgeführt, die Preise reichen von wenigen Dollar für einzelne Pillen bis zehntausende Franken. Ein Kilogramm A+++ «Qualitäts-Kokain aus Kolumbien» etwa wird für 55’126 Dollar feilgeboten. Bajour hat sich entschieden, die kleinstmögliche Menge zu bestellen, um den Finanzfluss zugunsten der Dealer minim zu halten, sowie die Substanzen nach Erhalt und Prüfung zerstören zu lassen. Der «Tages Anzeiger» hat bei einer früheren Darknet-Drogenrecherche nach denselben Prinzipien gehandelt (Tagesanzeiger/Paywall).

Für den Testkauf habe ich mich für zwei Gramm «MDMA High Quality 84%» des Accounts «GermansFinest» entschieden. Für 12.29 Dollar verspricht die Person hinter dem Pseudonym das «beste und billigste MDMA» innert drei Tagen zu verschicken. Die zweite Bestellung: Eine Ecstasy-Pille des Typs RedBull des Schweizer Accounts «AndyMacht» für 8.81 Dollar (plus 5.51 für den sofortigen Versand per A-Post). Die Pille soll aus einem professionellen holländischen Labor stammen und so hoch dosiert sein, dass die Hälfte ausreiche, schreibt er. Kurzum: Eine «fantastische Pille für deine nächste Party», wie «AndyMacht» schreibt.

Ich kenne weder «GermansFinest» noch «AndyMacht» und dennoch habe ich ziemlich grosses Vertrauen in sie, denn sie werden von ihren Kund*innen bewertet. Die beiden scheinen Qualitätsware zu liefern, beide haben bereits über fünfzig Verkäufe getätigt und sind immer mit fünf Sternen bewertet worden. Dass ich meine Ware bekomme, stellt die Handelsplattform im Darknet sicher. Sie blockiert mein Geld, bis ich den Erhalt der Lieferung bestätigt habe. Die Bezahlung erfolgt via Bitcoin oder einer anderen Kryptowährung an eine einmalig gültige, anonyme Adresse. Der Vorgang lässt sich wie bei einem Online-Shop verfolgen – und tatsächlich, der Status wechselte, zunächst auf «bezahlt» und einige Stunden später auf «verschickt». Und nun hiess es: Warten…

So wurden die Pillen angeboten (Logo des Marktplatzes + URL wurden entfernt)

So wurden die Pillen angeboten (Logo des Marktplatzes + URL wurden entfernt)

UPDATE 1: Was liegt auf unserem Tisch und wie gefährlich ist es?

Erstaunlich schnell haben wir Post bekommen. Aus unserer digitalen Transaktion im Darknet manifestierte sich eine pinke Pille, die es in sich hat.

Drei Tage nach der Online-Bestellung kommt auf der Bajour-Redaktion ein Couvert an. Darauf klebt ein ausgedrucktes Adress-Etikett. Logisch, wer will den Strafverfolgungsbehörden auch ein Beweisstück in handschriftlicher Form liefern?

Ein Absender fehlt, aufgegeben wurde der Brief in der Schweiz. Wir sind uns sicher: Das muss unsere MDMA-Bestellung sein. Wir öffnen den Umschlag. Darin befindet sich ein weiteres Covert. Im zweiten Umschlag – eingebettet in Luftpolsterfolie – liegt ein kleines Plastiksäckchen. «AndyMacht» hat geliefert.

Das grelle Pink der MDMA-Pille leuchtet uns entgegen. Geprägt ist die mit einem Red Bull-Schriftzug auf der einen und einem Red Bull-Stier auf der anderen Seite. Wir gleichen unsere Pille mit den publizierten Warnungen auf Saferdance ab. Es dauert nicht lange und dasselbe Pink, dasselbe Logo, leuchtet auch auf unserem Bildschirm.

Typgleiche Pillen werden von Saferdance in die höchste Gefahrenkategorie eingeteilt: «Es besteht ein hohes Gesundheitsrisiko oder die Gefahr einer Überdosierung», heisst es. To be fair, «AndyMacht» hat die Warnung beim Angebot publiziert. «Nebenwirkungen wie Kiefermahlen, Augen- und Nervenzucken bis hin zu Krampfanfällen können auftreten. Bei Überdosierungen steigt die Körpertemperatur stärker an, und es können Halluzinationen auftreten. An Folgetagen, nach der Einnahme solch hoher Dosen MDMA, treten vermehrt Depressionen, Konzentrationsschwächen, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit auf. Die regelmässige Einnahme grosser Mengen MDMA ist neurotoxisch und vergrössert die Wahrscheinlichkeit irreparabler Hirnschäden», schreibt Saferdance.

Untersuchungen dieses Pillentyps hätten einen MDMA-Gehalt zwischen 217 und 275mg ergeben. Dosierungen über 120mg kategorisiert Saferdance als gefährlich. Was steckt in der kleinen pinken Pille, die in ihrem Luftpolster vor uns liegt?

Wir werden die Pille testen (und zerstören) lassen, wie versprochen. Und halten euch auf dem Laufenden. A propos testen und zerstören: Das stationäre Drug Checking im St. Johann prüft seit einigen Monaten illegale Substanzen und führt Beratungsgespräche durch. Wir waren einen Abend lang zu Besuch. Zur Reportage.

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