Ist Heidi Mück wählbar?

Diese Frage hat an der Redaktionssitzung für Diskussionen gesorgt, weil: Die beiden Bajour-Chefs sind sich uneinig.

Nein, sorry, Mück ist schwierig,

sagt Chefredaktorin Andrea Fopp.

Dass die BastA! jetzt Verantwortung übernimmt und eine Kandidatin fürs Regierungsamt aufstellt, ist richtig. Aber seit Donnerstag frage ich mich, ob Heidi Mück wirklich auf den Regierungsratsstuhl passt. Wir von Bajour konfrontierten die Politikerin mit Fragen unseres Nichtwähler*innen-Parlaments. Eine ihrer Antworten hat mich ziemlich irritiert. 

Die Frage war: In welchem Departement wären Sie total überfordert und weshalb?

Heidi Mück antwortete:

«Das ist eine ganz klare Sache. Ich wäre im Justizdepartement total überfordert, weil ich habe zugegebenermassen ein schwieriges Verhältnis mit Polizisten. Und ich müsste dort eine ganze Mannschaft von Polizisten führen. Ich glaube, da hätte ich Schwierigkeiten und bräuchte Hilfe. Andererseits ist das Frauenhaus dort angegliedert und mit dem Frauenhaus bin ich stark verbunden und kann auch etwas einbringen.»

Für mich ist sie damit nicht in eine Regierung wählbar. Klar, es ist bekannt, dass Heidi Mück in der Vergangenheit regelmässig an Demonstrationen teilgenommen und dabei die Arbeit der Polizei häufig kritisiert hat. 

Das falsche Signal

Aber das muss sie hinter sich lassen. Eine gewählte Regierungsrätin kann sich das Departement nicht auswählen – wer welches Departement erhält, wird zwischen den Gewählten ausgemacht. Die Mehrheit hat dabei das letzte Wort. Im Fall von Mücks Wahl könnte es also durchaus passieren, dass sie das unbeliebte Justizdepartement von Baschi Dürr (FDP) erbt. Dann wäre sie die Chefin der Polizei.

Sehr wahrscheinlich ist dieses Szenario zwar nicht. Trotzdem sendet Mück mit ihrer Aussage das falsche Signal: Polizist*innen, mit euch kann ich es nicht. Das ist, wie wenn Lukas Engelberger (CVP) vor seiner ersten Regierungsratswahl im Jahr 2014 gesagt hätte: «Im Gesundheitsdepartement wäre ich überfordert, weil ich ein schwieriges Verhältnis mit Pfleger*innen habe.»

Für eine gute Chefin gilt: Loyalität mit den eigenen Leuten. Man stellt sich vors Team und hält seinen Kopf hin. Und nicht nur für das eigene Kernteam, sondern für alle Staatsangestellten. 

Von einer Politikerin, die in die Exekutive will, erwarte ich deshalb eine ausgestreckte Hand. Die Bereitschaft, motiviert zusammenzuarbeiten. Das heisst nicht, dass Mück hätte lügen sollen. Sie hätte ja durchaus sagen können, dass sie in der Vergangenheit die Polizei kritisiert hat. Aber ein Zeichen der Wertschätzung für die Polizist*innen, die jeden Tag auf der Strasse ihren Job machen, hätte drin liegen müssen. Das wäre anständig gewesen. So aber hat sie bereits zwei Tage nach der Ankündigung ihrer Kandidatur gezeigt, dass sie nicht führen kann.

Doch, Heidi Mück ist mega* wählbar,

findet Bajour-Gründer Hansi Voigt.

Wie glatt geschliffen muss eine Regierungsrätin sein? Darf sie zugeben, dass ihr das Justizdepartement eher nicht so liegt, weil sie als aktivistisch operierende Politikerin ziemlich grundsätzliche Probleme mit Polizistinnen und Polizisten hat? Darf sie sich im Nachhinein von einer israelfeindlichen Organisation distanzieren. Ist so jemand wählbar?

Seit Bekanntgabe ihrer Kandidatur wird Heidi Mück nach ihrer Stromlinienförmigkeit beurteilt und auf ihre Mehrheitsfähigkeit abgeklopft. Mit erwartbarem Resultat.

Spätestens, wer Heidi Mücks Outfit beim Bajour-Videotermin betrachtet, sieht: Hier kommt keine glattgebügelte Politikerin. Keine aus der Mitte. Kein wandelnder Kompromiss.

Aber ehrlich gesagt: Davon gibt's ja inzwischen genug. Und wo kommt Heidi Mück überhaupt her? Genau, von der Strasse.

Reality Check von der Strasse

Klimaprotest , Frauenstreik , unbewilligte 1. Mai-Demo: Heidi Mück ist immer auf der Seite der Demonstrant*innen. Und ob es dem etablierten Politbetrieb passt oder nicht. Diese Politisierung von der Strasse führt seit zwei Jahren zu den grossen Umbrüchen in der Politlandschaft und macht, in Teilen, dass es vorwärts geht.

Heidi Mück ist der Reality Check von der Strasse. Mit vielen Emotionen, Widersprüchen und einer – von aussen betrachtet – fast nicht fassbaren Naivität für ein politisches Amt in der Exekutive. Aber:

1. kommt die Magistralität erst mit dem Amt. Wir erinnern uns an den Werdegang Joschka Fischers vom Turnschuh-Grünen zum Aussenminister im Massanzug.

2. ist ein Regierungsrat eine Kollegialbehörde, die sich auf Kompromisse einigen muss.

Es spricht bisher nichts dafür, dass Mück unfähig ist, Kompromisse mitzutragen. Es stellt sich eher die Frage, ob der Regierungsrat und der Politbetrieb über die Kompromissbereitschaft verfügt, die Bewegung, die so viel in den letzten zwei Jahren in Gang gebracht hat, in Form von Heidi Mück einzubinden. Falls ja, kann es ein grosse Chance für Basel sein. Und ja: Man sollte ihr das Polizeidepartement geben.

* In der ersten Version stand, die Politikerin sei wählbar «as fuck». Diese Formulierung war als Jugendwort des Jahres 2018 in Deutschland nominiert und bedeutet: «besonders». Ein Leser beanstandete nun, der Ausdruck sei grenzwertig, wir ersetzten ihn deshalb durch «mega» und sagen: Entschuldigung.

Hot or not?
Bajour.

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