«Es braucht regelmässige Stichproben»

Nach dem Suizid im Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof, wollte SP-Grossrätin Edibe Gölgeli von der Regierung wissen, wie die Aufsicht gewährleistet wurde. Die Antworten auf ihre Fragen sind vage. Aber nicht nur.

Kowsika Interpellation Edibe Gölgeli
Edibe Gölgeli stellte der Regierung Fragen zum Fall Kowsika.

«Die Antworten sind für mich nur teilweise befriedigend», sagt Edibe Gölgeli gegenüber Bajour. Die Basler SP-Grossrätin reichte im April eine Interpellation ein und stellte der Regierung zahlreiche Fragen zum Fall Waaghof, welchen Bajour zusammen mit der Republik recherchiert hatte. Ihr Vorstoss wurde nun durch die Exekutive beantwortet.

Im Basler Untersuchungsgefängnis hatte am 12. Juni 2018 eine junge Frau Suizid begangen. Gemäss der gemeinsamen Recherche haben die Behörden und Staatsangestellten, mit denen die 29-jährige Tamilin Kowsika in den letzten Tagen ihres Lebens in Berührung gekommen war, ihr nicht alle Rechte gewährt. Ein Systemversagen? Gölgeli ist der Meinung, der Fall werfe zumindest Fragen auf, welche die Qualität der Prozesse, die Korrektheit der Praxis und die Sicherstellung der Rechtmässigkeit des Justizvollzugs im Kanton Basel-Stadt anzweifeln lassen. Sie betont die Wichtigkeit, die dabei der Aufsicht zukommt, ist doch der Justizvollzug menschenrechtlich und rechtsstaatlich ein heikler Bereich. In Haft müssten Menschen Grundrechtseingriffe über sich ergehen lassen, seien vom Staat abhängig – und deshalb besonders verletzlich.

Tod im Waaghof Kowsika Porträt
Ihr Name war Kowsika

Am 12. Juni 2018 nimmt sich eine junge Frau im Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof das Leben. Sie erstickt – und erst rund 20 Minuten später überprüft das Aufsichtspersonal die Lebenszeichen.

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So beurteilt Gölgeli nun «positiv», dass gewisse Prozesse bereits angepasst wurden. Beispielsweise bietet die Zentrale des Gefängnisses seit dem Todesfall automatisch eine*n Notärzt*in auf, auch wenn sich dann vor Ort herausstellen würde, dass es sich um einen Fehlalarm handelte. Die Regierung schreibt: «Zeitverlust und Fehleinschätzungen können damit ausgeschlossen werden.» Zudem sind unabhängig von diesem Fall Spezialstationen geschaffen sowie die Betreuung von psychisch auffälligen Insass*innen ausgebaut worden. Gölgeli meint dazu: «Es ist erfreulich, dass bei der Gesundheitsversorgung Veränderungen vollzogen worden sind.»

Trotzdem bestehe weiterhin Handlungsbedarf, findet Gölgeli. Entscheidungen, die das Grundrecht betreffen, bräuchten «ein Mehr-Augen-Prinzip». Auch das Qualitätsmanagement, welches die Regierung angekündigt hat aufzubauen, bleibe sehr vage. «Klar ist, es braucht regelmässige Stichproben bei den Akten», sagt Gölgeli, «sei es als Teil dieses Qualitätsmanagements, oder als Instrument der Aufsicht, durch das Departement oder die Gerichte». Ausserdem sei in Sachen Übersetzung einen Automatismus angebracht: «Eine Person, die kein Deutsch spricht, muss automatisch einen Dolmetscher*innen-Dienst erhalten – zumindest während der vorläufigen Festnahme.» 

Gölgeli geht nicht soweit, der Regierung vorzuwerfen, dass sie sich mit ihren zum Teil vagen oder allgemein gehaltenen Aussagen in den Interpellations-Antworten aus der Verantwortung stehlen möchte, denn: «Das Verfahren läuft noch.» Deshalb möchte sie erst einmal abwarten. In einer Sache aber sei rasches Handeln angezeigt:  «Die Suizidrate und die Suizidversuche werden in Ausschaffungshaft nicht statistisch erfasst. Diese statistische Lücke muss geschlossen werden.» Der Weg dafür führt über Bundesbern – wer sich dem Thema annehmen könnte und in welcher Form, ist noch unklar. Das Argument der Regierung, wonach die Suizid-Fälle in der Ausschaffungshaft zu gering seien, will Gölgeli aber nicht gelten lassen. Sie findet: Jeder Suizid ist einer zu viel.

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