Baselland rausschmeissen und gut ist?

Wie viel Geld soll das Baselbiet an städtische Kultur bezahlen? In Sachen bikantonaler Zusammenarbeit scheint man derzeit hochsensibel zu sein. Ein guter Moment, über einen Systemwechsel nachzudenken?

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Wie gross ist die Einflussnahme des Kantons Baselland im Bereich Kultur? Das möchte GLP-Grossrat Johannes Sieber von der Regierung wissen.

Es gab schon bessere Zeiten zwischen den beiden Basel, hat man den Eindruck. Nachdem die Asylunterkunft in Münchenstein vergangenen November für böses Blut gesorgt hat und auch unsere Gesundheitsregion immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten führt, streitet man sich neuerdings wieder einmal über Kulturausgaben. Wie die BaZ kürzlich berichtete, will Basel-Stadt den Nachbarkanton dafür abstrafen, dass er bei der Fondation Beyeler nicht in die Bresche springt. Das renommierte Kunstmuseum erhält wegen veränderter Vergabekriterien des Swisslos-Fonds Basel-Landschaft seit 2017 von diesem keine Unterstützung mehr. 

So läuft es immer mal wieder: Wenn Baselland nicht bezahlt, springt der Stadtkanton ein. Das passt nicht allen. In einem Vorstoss, der am Montag eingereicht wird, möchte GLP-Grossrat Johannes Sieber deshalb von der Regierung wissen, wie es um die Einflussnahme des Kantons Baselland im Bereich Kultur steht. Stimmt das Verhältnis noch?

«Es entspricht unserem partnerschaftlichen Verständnis, dass der Kanton Basel-Landschaft in den Steuerungsgremien Einsitz nimmt, die von der Abgeltung aus Baselland begünstigt werden.»

von Lukas Engelberger, Vorsteher des Präsidialdepartements ad interim

Der Hintergrund: Baselland beteiligt sich an den sogenannten kulturellen Zentrumsleistungen des Kantons Basel-Stadt. Das ist im Rahmen des Kulturvertrags geregelt. Die vereinbarte Abgeltung beträgt mindestens CHF 9,6 Millionen pro Jahr, hinzu kommt die Teuerung (heuer rund 10 Millionen Franken). Der Entscheid, an wen das Geld fliesst, liegt nicht beim Kanton Basel-Landschaft. Es ist festgehalten, dass die drei Institutionen mit den meisten Besucher*innen aus dem Baselbiet berücksichtigt werden. Zurzeit erhalten das Theater Basel, das Sinfonieorchester und die Kaserne Basel indirekt Beiträge aus dem Baselbiet. Im Gegenzug erhält das Baselbiet Einsitz in den Gremien eben jener Institutionen. Und somit ein gewisses Mitspracherecht.

Dem einen oder anderen mag dieser Betrag von knapp 10 Millionen im Vergleich zu den 135,5 Millionen Franken, die Basel 2022 in seine Kultur investiert hat, mager erscheinen – und die entsprechende Einflussnahme hingegen (zu) gross. Doch wenn man ihn in Relation sieht zu dem Geld, welches das Baselbiet insgesamt für Kultur zur Verfügung hat – und zwar 30 Millionen – dann ist das durchaus ein beachtlicher Betrag. Gemessen an den Gesamtausgaben scheint das Baselbiet indes wenig bereit zu sein, grössere Summen für Kultur auszugeben. 

Dialog wird hochgehalten

Lukas Engelberger, der das Basler Präsidialdepartement, wo die Abteilung Kultur angesiedelt ist, derzeit ad interim führt, sagt auf Anfrage von Bajour zur Einflussnahme durch den Kanton Baselland: «Es entspricht unserem partnerschaftlichen Verständnis, dass der Kanton Basel-Landschaft in den Steuerungsgremien Einsitz nimmt, die von der Abgeltung aus Baselland begünstigt werden.» In anderen Worten: Es geht um eine gemeinsame Dialogführung, um das Miteinbeziehen einer anderen Perspektive. 

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Zurzeit erhalten das Theater Basel, das Sinfonieorchester und die Kaserne Basel (im Bild) indirekt Beiträge aus dem Baselbiet.

Was wäre denn überhaupt die Alternative? Soll Basel vielleicht alles selber bezahlen und das Baselbiet dafür aus den Gremien werfen? Wohl kaum. Ein Rausschmiss würde nämlich auch bedeuten, den Dialog abzubrechen. Engelberger meint: «Die aktuelle Regelung des Kulturvertrags ist gut, so wie sie ist.» 

Wie wichtig Dialog sein kann, haben denn auch die Verhandlungen zum laufenden Kulturvertrag zwischen den beiden Kantonen gezeigt. Dieser ist seit 2022 in Kraft und darf durchaus als Kompromiss bezeichnet werden. Denn 2015 wollte Baselland die Leistungen am liebsten ganz aufkündigen. Geeinigt hat man sich dann auf den erwähnten Pauschalbetrag, dessen Vorteil die Planbarkeit ist. Wirklich zufrieden sind im Stadtkanton damit aber nicht alle, wie auch die aktuelle Debatte zeigt. Gerne wird moniert, dass die Summe, welche das Baselbiet an die Stadt bezahlt, höher sein müsste, würde man den Publikumsanteil als Richtwert beiziehen. Sprich: Ein Verursacherprinzip wäre fairer. Rolf Wirz, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Kulturförderung Basel-Landschaft, erinnert allerdings daran, dass der Kulturvertrag im Januar 2020 vom Basler Grossen Rat grossmehrheitlich (11 Gegenstimmen) und vom Baselbieter Landrat einstimmig angenommen worden sei.

Hier möchte Sieber wissen, ob die erwarteten Vorteile des Systemwechsels hinsichtlich Entflechtung von Zuständigkeiten denn auch eingetroffen seien. Und ob die Komplexität der bikantonalen Kulturförderung im Allgemeinen reduziert werden konnte.

Kulturelle Metropolregion

Ausserdem fragt der GLP-Mann den Regierungsrat, ob er denn die Erweiterung des Kulturvertrags auf weitere Kantone prüfe, beispielsweise Aargau oder Jura? Dies hinsichtlich einer kulturellen Metropolregion Basel, so die Idee. Sieber erläutert im Gespräch: «Basel bietet eine Zentrumsleitung, von der auch andere Kantone profitieren.» Dies möchte der Kulturunternehmer auf den Radar bringen. Und: Werden hinsichtlich einer kulturellen Metropolregion Gespräche mit dem Bund geführt und eine Zusammenarbeit angestrebt, wie dies im Kulturfördergesetz vorgesehen ist?

Auf politischer Ebene findet die Idee einer kulturellen Metropolregion durchaus Anklang, doch diese  finanziell abzubilden scheint sich nicht zu lohnen. So sagt Michela Seggiani, SP-Fraktionspräsidentin und Mitglied der Bildungskommission: «Das ist eine interessante Idee.» Eine regionale Zusammenarbeit gebe es allerdings bereits und sie nennt beispielsweise den Museumspass, mit dem 350 Museen aus der Region besucht werden können, auch in Frankreich oder Deutschland. Doch eine Zusammenarbeit sei finanztechnisch und rechtlich nicht unkompliziert, denn: «Die Nachbarn funktionieren anders.» Dies bestätigt Felix Wehrli. Er ist SVP-Grossrat und Mitglied der Regiokommission. Auf Anfrage sagt er: «Die Zentrumslage von Basel kann nicht alles finanzieren.» Doch eine Metropolregion gäbe grosse Diskussionen, da sei man dem Baselbiet doch am nächsten. 

«Basel bietet eine Zentrumsleitung, von der auch andere Kantone profitieren.»

von Johannes Sieber, GLP-Grossrat

Engelberger sagt schliesslich: «Eine Erweiterung auf andere Kantone und auf Deutschland und Frankreich halten wir nicht für ein erfolgversprechendes Ziel.» Und begründet dies folgendermassen: «Aus den Kulturpublikumsbefragungen und aufgrund der Auswertung der Abonnementen-Zahlen durch die Institutionen wissen wir, dass der Anteil der Besuchenden aus Basel-Landschaft deutlich höher ist als die Anteile aus anderen umliegenden Kantonen oder aus Deutschland oder Frankreich. Es würde sich schlicht nicht lohnen, langwierige Vertragsverhandlungen einzugehen für eine sehr geringe Wirkung.»

Eine Metropolregion dürfte also vorerst eine politische Idee sein und bleiben, die in der Praxis viel Aufwand bedeuten würde für ein paar wenige Franken. Und um diese Franken geht es am Ende. Sieber sagt: «Der Separatismus hängt da ein, wo es darum geht, wer was bezahlt. Die Region als kulturelle Metropole gedacht, müsste sich auch in den Förderstrukturen abbilden.»

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