Willst du mit mir Musicals machen?

In der Debatte rund um das Musical Theater und das geplante Hallenbad sind neue Strategien aufgekommen. Anstatt nach alternativen Standorten fürs Hallenbad wird jetzt nach Aufführungsmöglichkeiten für die grossen Musicals gesucht. Wird das Theater Basel zum Vierspartenhaus oder steckt der Kanton Geld in die St. Jakobshalle?

Szene aus dem Lied "How deep is your love" aus dem Musical "Saturday Night Fever" mit den Hauptdarstellern Ron Holzschuh als Tony Manero, rechts, und Isabelle Flachsmann als "Stephanie", links, am Donnerstag, 14. Oktober 2004, beim Fotocall im Musicaltheater in Basel. Das Musical feiert am Samstag, 16. Oktober Premiere. (KEYSTONE/Markus Stuecklin)
«How deep is your love» fragen sich Stephanie und Tony im Musical «Saturday Night Fever» auf der Bühne des Musical Theaters.

Der Basler Regierungsrat hat Anfang März klargestellt: Er will das Musical Theater schliessen und an dessen Stelle ein Hallenbad – mit dem lang ersehnten 50-Meter Becken – bauen. «Aber, aber», tönte es daraufhin aus musicalaffinen Kreisen «Basel ist doch Kulturhauptstadt». Sind Musicals keine Kultur? Und gäbe es nicht genügend Möglichkeiten, in Basel weiterhin Musicals zu zeigen – wenn man denn will? Hallen gibt es doch eigentlich genug.

Widmen wir uns nun zunächst der Beziehung zwischen Basel und der Musicalszene. Unter dem Schlagwort «Kulturhauptstadt der Schweiz» wird Basel auf der Website des Kantons für sein vielfältiges kulturelles Angebot gefeiert. Für die Museen im Allgemeinen und den Fasnachtsbrunnen im Speziellen. Für «einen der besten Musiksäle der Welt» im Stadtcasino, das Theater Basel als das grösste und mehrfach preisgekrönte Dreispartenhaus der Schweiz, aber ebenso für die freie Szene, die «einiges zu bieten hat». Namhafte Architekten wie Christ & Gantenbein oder Herzog & de Meuron machen Basel zum «Architekturmekka» – aber kein Wort zum Musical Theater. Fürchtet Basel etwa das «M-Wort», wie es Redaktorin Kathrin Signer kürzlich in ihrem Kommentar in der bz schrieb? Wäre es nicht eine Win-Win-Situation, wenn das Theater Basel Musicals zeigen würde und diese auch offen als solche deklarieren würde? Ein finanzieller Gewinn fürs Theater und ein kultureller Gewinn für alle Basler*innen, die lieber «Cats» schauen, statt zu schwimmen?

Potenzial für gesellschaftsrelevante Debatten

Wagen wir einen Blick in die Ostschweiz. Das Theater St. Gallen zeigt bereits seit 60 Jahren Musicals und bezeichnet sich dementsprechend als Vierspartenhaus. Bis in die 90er-Jahre waren es vor allem Klassiker wie «My Fair Lady» und »West Side Story». Die Musical-Tradition, für die das Theater St. Gallen heute steht, nahm ihren Ursprung in den 1990er-Jahren.

«Wir haben Musicals nie als reines Unterhaltungsformat verstanden, sondern immer daran geglaubt, dass es das Potenzial hat, gesellschaftsrelevante Debatten aufzugreifen und zu verhandeln.»

von Johannes Hunziker, Mediensprecher Theater St. Gallen

Der damalige Direktor Werner Signer wollte das Theater St. Gallen auch für Besucher*innen aus anderen Regionen der Schweiz attraktiv machen, das erzählt der Mediensprecher Johannes Hunziker.

Den Anfangspunkt markierte damals das Musical «La cage aux folles». Es handelt unter anderem von Travestiekünstler*innen und Transpersonen und steht gemäss Hunziker exemplarisch für den Anspruch, den das Theater mit seinen Musicals verfolgt: «Wir haben Musicals nie als reines Unterhaltungsformat verstanden, sondern immer daran geglaubt, dass es das Potenzial hat, gesellschaftsrelevante Debatten aufzugreifen und zu verhandeln.»

Also vielleicht doch kein No-Go für das «grösste und mehrfach preisgekrönte Dreispartenhaus der Schweiz»?

Wirklich abgeneigt ist das Theater Basel den Musicals gegenüber gar nicht. Mediensprecherin Elena Kuznik schreibt: «Produktionen wie ‹Lady in the Dark›, ‹La Cage aux Folles› oder die Grönemeyer-Revue sind von ihrer Form her eindeutig Musicals. Die Stücke werden auch als solche bezeichnet.» Damit erkennbar sei, zu welcher Sparte die Stücke gehören, seien sie unter der Spartenbezeichnung «Oper» zu finden.

Es herrscht also keine grundsätzliche Abneigung. Aber all das hilft denjenigen, die dem Musical Theater gerade prophylaktisch nachtrauern, nicht.

«Das Theater Basel ist subventioniert und sollte diesen kommerziellen Veranstaltern keine Konkurrenz machen.»

von Elena Kuznik, Mediensprecherin Theater Basel

Produktionen wie «Cats» oder »König der Löwen» wird das Theater Basel nämlich trotzdem nicht zeigen, «weil das ein Feld ist, das nicht-subventionierte Veranstalter kommerziell produzieren. Das Theater Basel ist subventioniert und sollte diesen kommerziellen Veranstaltern keine Konkurrenz machen», so Kuznik.

Ebenso hält es auch das Theater St. Gallen. Es versteht sich nicht als Gastspielhaus und bietet ausschliesslich eigene oder Co-Produktionen an. Nach einigen Startschwierigkeiten erfreuen diese sich nach Aussagen von Hunziker mittlerweile grosser Beliebtheit. Finanzielle Selbstläufer sind sie allerdings nicht: «Wir gehen hier wie bei allen anderen Produktionen unseres Vierspartenhauses gewisse Risiken ein.» Finanziell attraktiver würden auch «pfannenfertige Gastproduktionen» das Geschäft mit den Musicals nicht machen. «Gastmusicals wie ‹West Side Story› oder ‹Phantom of the Opera› kosten sehr viel Geld und brauchen ein Haus mit vielen Sitzplätzen, damit man in einer kurzen Spieldauer möglichst viele Einnahmen erzielt. Die Musicals am Theater Basel laufen zum Teil über eine ganze Spielzeit hinweg. Diese lange Laufzeit ist für unsere Abonnentenstruktur unerlässlich – mit Gastspielen wäre das kostentechnisch nicht möglich», so Kuznik.

Die Beziehung zwischen der Kulturhauptstadt und dem Musical ist also gar nicht so toxisch – nur das liebe Geld trennt sie vor der vollkommenen Verschmelzung.

«Cats» in der St. Jakobshalle?

Jegliche Feindseligkeit eliminieren möchte der Regierungsratskandidat Mustafa Atici (SP) zwischen der Kultur und dem Sport: «Beide brauchen wir». Er habe viel Verständnis für die Kultursparte, findet aber auch ein Hallenbad fürs Kleinbasel eine gute Idee, da es dort wenig Raum für Sport und Bewegung gibt. Deshalb hat er an seiner Medienkonferenz Anfang März die Idee ins Spiel gebracht, einen neuen Platz für das Musical Theater zu suchen, wie die bz berichtete.

Alt-SP-Nationalrat Mustafa Atici auf dem Tellplatz in Basel, am Dienstag, 6. Februar 2024. Atici ist Kandidat fuer die Ersatzwahl eines Mitglieds des Regierungsrates und die Ersatzwahl des Regierungspraaesidiums vom 3. Maerz 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Mustafa Atici (SP) will am liebsten Hallenbad UND Musical.

Bei dem Vorschlag geht es allerdings eher um die zusätzliche Nutzung von bestehenden Hallen und weniger darum, irgendwo ein neues Musical Theater zu bauen, wie Atici gegenüber Bajour präzisiert. Dennoch ging diese Frage bisher neben der Suche nach einem alternativen Hallenbad-Standort unter. Für kleinere Shows könnte unter anderem das Stadtcasino genutzt werden. Für aufwendige, mehrtägig gespielte Musical-Produktionen wie «Cats» oder «Phantom der Oper» stünden in der Region Basel derzeit aber keine geeigneten Spielstätten zur Verfügung, «sofern nicht Investitionen in die nötige Infrastruktur, beispielsweise in der St. Jakobshalle, getätigt werden», sagt Tibor Hochreutener, Generalsekretär im Finanzdepartement.

Die St. Jakobshalle als Gastgeberin für grosse Musicals? Das wäre keine schlechte Idee angesichts der eher dürftigen Belegung der Halle. Zumal sie im Besitz des Kantons ist. Nur: War da nicht was? Die St. Jakobshalle wurde in den letzten Jahren bereits mehrfach saniert – bis zum Jahr 2018 umfangreich für mehr als 130 Millionen Franken. 2022 beantragte der Regierungsrat dann nochmals 7,5 Millionen Franken für «Modernisierungsmassnahmen», um den «neuen Nutzerbedürfnissen der Kunden» nachzukommen.

Ein 25 bis 30 Tonnen schwerer Findling wird als Grundstein zum Baubeginn der Sanierung der St. Jakobshalle aufgestellt, in Basel, am Freitag, 8. Juli 2016. Die kuenstlerische Intervention des Findlings, der unter einer tragenden Saeule steht und nicht mehr umplatziert werden kann, stammt vom Kuenstler Eric Hattan. Der Abschluss aller Sanierungs- und Umbauarbeiten ist fuer Ende 2018 geplant. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Die St. Jakobshalle bei der Grundsteinlegung zur Sanierung im Jahr 2016.

Ein Bühnenturm, mit dem verschiedene Bühnenbilder in sehr schneller Zeit ausgetauscht werden können, wurde dabei nicht eingebaut. Dieser wäre allerdings notwendig, um grosse Musicals in der St. Jakobshalle zeigen zu können. Ausserdem müssten Investitionen in die Technik, insbesondere beim Ton vorgenommen werden. «Alle weiteren betrieblichen Voraussetzungen wären in der Halle gegeben», schreibt der Leiter Kommuikation des zuständigen Erziehungsdepartements, Gaudenz Wacker. Wie hoch diese Investitionen zu Buche schlagen würden, müsste allerdings erst noch berechnet werden. Er ergänzt ausserdem, dass kleinere Musicals wie «Ghost» oder «Flashdance» bereits in der Halle stattfinden.

Wenn Mustafa Atici das Musical tatsächlich so sehr am Herzen liegt, wie er im aktuellen Wahlkampf angibt, könnte es also sein, dass die Regierungsrät*innen bald erneut um Gelder für die St. Jakobshalle anfragen – sofern Atici Erziehungsdirektor wird.

Bis dahin gilt es aber noch, das grundsätzliche Vorgehen rund um das Musical Theater und das geplante Hallenbad zu verhandeln und den Entscheid der Regierung zu besprechen. Vorerst sind nun die Ergebnisse der vorberatenden Kommission abzuwarten. Zuständig dafür sein wird voraussichtlich die Bau- und Raumplanungskommission, falls der Grosse Rat den entsprechenden Ratschlag am 10. April überweist.

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