Warum hat es nicht geknallt?

Ganz einfach: Alle waren friedlich.

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Es war ein erfrischend langweiliger Samstag. Dabei hätte es einiges an Eskalationspotenzial gegeben:

Etwa 3000 Corona-Massnahmengegner*innen*, darunter Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker*innen, zogen am Samstag durch die Rheinstadt, um gegen «Impfzwang» und «Diskriminierung» zu protestieren. Mit dabei auch David Trachsel, Präsident der jungen SVP und Basler Grossrat.

Die Aktivist*innen von Basel Nazifrei riefen zur Gegendemo auf. 

Die Zeitungen machten sich auf Konflikt und Schlagzeilen gefasst und die Basler Polizei holte sich Verstärkung in den Nachbarkantonen. 

Und dann: Friede oder wie es Polizeisprecher Adrian Plachesi formuliert: «ohne nennenswerte Zwischenfälle oder Ausschreitungen». Zwar standen sich die beiden Demonstrant*innen-Gruppen kurz bei der Wettsteinbrücke gegenüber. Doch als die Polizei die Nazifrei-Demonstrant*innen aufforderte, von dannen zu ziehen, folgten sie der Anweisung.

So sollte es immer sein. Was lässt sich für die Zukunft von diesem Samstag lernen?

«Im Gegensatz zu anderen Demos, hat die Polizei diesen Samstag einen guten Umgang mit uns gefunden.»

von Sina Deiss, Basta-Co-Präsidentin

Die Frage geht an die Demonstrant*innen und die Polizei. Und, welche Überraschung, die beiden Parteien geben die Verantwortung der jeweils anderen.

Sina Deiss, Basta-Co-Präsidentin hat an der Demo teilgenommen. Sie lobt die Polizei: «Im Gegensatz zu anderen Demos, hat die Polizei diesen Samstag einen guten Umgang mit uns gefunden.» Es habe keine Zusammenstösse oder Verhaftungen gegeben. «So sollte es immer sein.»

Das ist durchaus Bemerkenswert. Denn die Nazifrei-Demonstrant*innen hatten im Vorfeld keine Bewilligung eingeholt. Eigentlich hatte Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann im Mai angekündigt bei unbewilligten Demos strenger durchzugreifen. Erst vor wenigen Wochen noch, hatte die Polizei eine linke unbewilligte Demonstration mit Gummischrot versucht aufzulösen.

Warum dieses Mal nicht?

«Die strengere Handhabe, die Stephanie Eymann angekündigt hatte, die gilt. Aber es muss jeder Einzelfall abgewogen werden.»

von Adrian Plachesi, Polizeisprecher

Laut Polizeisprecher Adrian Plachesi lag es an den Demonstrant*innen. Diese seien friedlich geblieben: «Wenn sich die Demonstrierenden an die Bitten und Weisungen  der Polizei halten, geht in der Regel alles gut», sagt Plachesi. Massives Eingreifen oder Auflösen sei nicht nötig gewesen, weil keine Gefahr von den Demonstrierenden ausgegangen sei. Die Polizei meldete zudem, dass es zu keinen Sachbeschädigungen gekommen sei. 

«Die strengere Handhabe, die Stephanie Eymann angekündigt hatte, die gilt. Aber es muss jeder Einzelfall abgewogen werden», sagt Plachesi. Sie auf alle unbewilligten Demos zu beziehen, sei nicht richtig.

Auch Sina Deiss bestätigt, alle Beteiligten hätten sich kooperativ verhalten. Niemand sei auf Krawall aus gewesen: «Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Angst.» Aber laut Deiss ist es nicht nur von den Demonstrant*innen abhängig, ob eine Demo eskaliert oder nicht: «Einer der wichtigsten Einflussfaktoren ist die Einsatzstrategie der Polizei.» Diese funktioniere leider nicht immer nach den oft zitierten 3 D (Dialog-Deeskalation-Durchgreifen). Sie verweist auf den Einsatz der Polizei am feministischen Streik 2020, als die Polizei die Demonstrant*innen einkesselte. «Das war eine reine Machtdemonstration», sagt Deiss.

Bei der Polizei tönt es anders: Die Demonstrant*innen hätten die unbewilligte Demonstration im 2020 trotz Aufforderung der Polizei fortgesetzt und den Verkehr behindert.

Zwei Seiten, zwei Meinungen. Vielleicht haben Eltern im Kinderzimmer recht, wenn sie sagen: Zum Streiten braucht es zwei. Zum friedlich bleiben auch.

* In der ersten Version sprach Bajour von 2000 Teilnehmer*innen. Ein Leser wies uns darauf hin, dass es ca. 3000 Teilnehmer*innen waren, was auch verschiedene Medien schrieben, die vor Ort waren. Wir haben die Zahl deshalb angepasst.

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