Liebe – die letzte grosse Freiheit

Respektlosigkeit erleben viele von uns tagtäglich. Die zentrale Herausforderung für die offene Gesellschaft sei deshalb das Pflegen und Entwickeln von – auf dem Prinzip der Freiheit und Würde beruhenden – Ansprüchen jedes Einzelnen, findet Kolumnistin Eva Biland. Dabei dürfe man das Feiern der Liebe aber nicht vergessen.

Eva Biland Bilan(d)z-2
(Quelle: Dominik Plüss/Unsplash (Collage: Bajour))

Heute ist Valentinstag – ob man es möchte oder nicht. Rote Herzen springen einem von überall her ins Auge, von jedem erdenklichen Kaufstand und auf Online-Plattformen. Das Herz ist ein lebendiges Symbol. Wenn wir «Ich liebe dich von ganzem Herzen» sagen oder auf eine Karte schreiben, meinen wir einerseits unser Herz, sprechen zugleich jedoch nicht unmittelbar von jenem Organ, dessen Schläge die Zirkulation des Bluts durch unseren Körper antreibt und dessen Versagen dem Körper das Leben entziehen kann.

Eine Umfrage in Deutschland zeigte einmal auf, dass nur für etwa ein Drittel der Bevölkerung, für Frauen etwas häufiger als für Männer, der «Tag der Liebe» etwas bedeutet. Dagegen sind es vor allem jüngere Männer, die ein Valentinsgeschenk kaufen und dabei auch mehr dafür ausgeben als die Frauen. Parfums und Schokolade werden übrigens häufiger geschenkt als die klassischen roten Rosen, welche dennoch an diesem Tag den Gesamtumsatz der Blumenhändler verdoppeln können.

Deutlich spendabler sind die Italiener, rund sechs von zehn Italienern kaufen jedes Jahr ein Valentinsgeschenk. Wen überrascht das – Italien, das Land der Liebe. Die deutlich tiefere Scheidungsrate in Italien (1.1 Scheidungen je 1000 Einwohner) als in unseren Gefilden (1.9 Scheidungen je 1000 Einwohner) lässt sich natürlich nicht damit erklären, dass die Angebeteten mehr beschenkt werden. So einfach funktioniert die Liebe bekanntlich dann doch nicht.

«Durch die vervielfältigten Konfliktpotenziale einer offenen Gesellschaft wird das Risiko für sich radikalisierende Kräfte weiterhin zunehmen.»

Mir persönlich bedeutet der Valentinstag nicht viel, ich schenke auch gerne mal spontan an anderen Tagen eine kleine Überraschung als Zeichen der Bewunderung und der Liebe. Was ich aber am Valentinstag schätze, ist diese Omnipräsenz des Zeichens der Liebe, welche in Zeiten von Verunsicherung und Krisen dem Tagesgeschehen eine gewisse Leichtigkeit verleiht.

Diverse, teilweise auch nicht evidenzbasierte Massnahmen zu jeweiligen Krisenbewältigungen, schränken die persönliche Freiheit zunehmend ein: Jedes Handlungsfeld wird in irgendeiner Form reglementiert, jede Ausbildung und Berufsausübung wird durch Bürokratie und zumeist unwirksame Zertifizierungen erschwert, jede Habseligkeit wird doppelt- und dreifach besteuert, Meinungen werden medial dirigiert und einer moralischen Mode unterworfen. In meinen Augen leben wir längst in einer Freiheitskrise. 

Daraus resultierende negative Gefühle, wie Ärger, Frust und Wut sorgen einstweilen für ein rücksichtsloseres Miteinander. Stress macht das als aggressiv erlebte Verhalten wahrscheinlicher. Ich behaupte sogar, dass durch die vervielfältigten Konfliktpotenziale einer offenen Gesellschaft das Risiko für sich radikalisierende Kräfte weiterhin zunehmen wird.

Eva Biland Kolumne
Zur Person

Eva Biland politisiert für die FDP Basel-Stadt und arbeitet als Hausärztin. In ihrer Kolumne «Bilan(d)z» schaut sie aus bürgerlicher Sicht auf den Kanton und seine Menschen.

Respektlosigkeit erleben oder empfinden viele von uns tagtäglich, beim Einkaufen, im Verkehr, beim Sport, in der Politik. An Schulen werden Lehrpersonen im Umgang mit «schwierigen» Eltern gebrieft, Gesundheitspersonal wird im Umgang mit «schwierigen» Patienten geschult. Handgreifliche Konflikte in Gesundheitseinrichtungen haben um ein Drittel zugenommen in den letzten fünf Jahren.

Die zentrale Herausforderung für die offene Gesellschaft der Gegenwart ist deshalb das Pflegen und Entwickeln von – auf dem Prinzip der Freiheit und Würde beruhenden – Ansprüchen jedes Einzelnen. Hier sehe ich die Politik in der Verantwortung, welche öffentliche Diskurse prägt. Die öffentliche Kommunikation vermag atmosphärische Faktoren, in welchen die Menschen ihren Alltag erleben, in bedeutsamer Weise beeinflussen.

«Am heutigen ‹Tag der Liebe› lässt sich aus liberaler Sicht auch die Freiheit der Liebe feiern.»

Die Liebe hingegen ist in historischer Sicht so frei wie noch nie in unseren Breitengraden und ein Erfolg aufklärerischer Ideale. Am heutigen «Tag der Liebe» lässt sich aus liberaler Sicht also auch die Freiheit der Liebe feiern. Das Herz als emotionalisierendes Symbol ist global im Trend. Webdienste nutzen das Herz längst als beliebtestes Symbol für eine positive oder mitfühlende Emotion. Es sind analog die Emotionen, die auch unser pumpendes Organ aus dem Takt bringen können oder es besonders krankheitsanfällig machen bei zu viel Stress. 

In diesem Sinne wünsche ich allen einen positiven Valentinstag und viele erfreuliche zwischenmenschliche Begegnungen, ganz im Zeichen herzlicher Emotionen!

Herzen
Hast du uns gern?

Jetzt Bajour-Member werden.

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Niklaus Fäh vor dem Bio-Kiosk

Balz Nyffenegger am 16. Mai 2024

Begegnungsort oder Grünfläche?

Seit 2020 gibt es den Bio-Kiosk auf dem Allschwilerplatz. Ein beliebtes Angebot, das für viele im Quartier als Begegnungsort fungiert. Die Umgestaltungspläne des Kantons sehen dafür aber keinen Platz mehr.

Weiterlesen
Sommercasino

Jan Soder am 16. Mai 2024

Neue Heimat für die Jugendkultur

Durch die Schliessung des Sommercasinos entsteht ein Loch in der Basler Jugendkultur. JGB-Grossrat Laurin Hoppler will vom Regierungsrat wissen, wie diese gestopft wird. Der Heimat-Club bietet sich selbst als Lückenfüller an.

Weiterlesen
Räumung Besetzung Bernouillanum Uni Basel Pro Palästina, 15. Mai 2024

Valerie Wendenburg,David Rutschmann am 15. Mai 2024

Vom Bernoullianum in den Kessel

Die Polizei räumte die pro-palästinensische Besetzung des Bernoullianums. Die Aktivist*innen ziehen durch die Stadt, einige werden eingekesselt. Nun wollen sie besprechen, wie es nach Ende der Besetzung weitergeht.

Weiterlesen
Replik Sarah Wyss auf das Interview mit Stefan Felder

Sarah Wyss am 15. Mai 2024

«Kosten gerechter verteilen und dämpfen»

Gesundheitsökonom Stefan Felder begründet im Bajour-Interview die hohen Prämien damit, dass Leistung kostet, das müssten die Menschen anerkennen. SP-Nationalrätin Sarah Wyss sieht das und andere Aussagen anders. Eine Replik.

Weiterlesen

Kommentare