Ein Verlust für Berlin, ein Gewinn für Basel

Die Art Basel hat mit Maike Cruse ab dem 1. Juli eine neue Direktorin. Davor war sie für die Gallery Weekend Berlin tätig. Sie gehört seither zu den bekannten und geschätzten Macher*innen im Kulturbereich.

Maike
«Ich habe die Familie nie wirklich verlassen und bin froh, zurück zu sein», sagt Maike Cruse an der Art-Pressekonferenz im Juni. (Quelle: zVg)

Wer während der Art Basel aufmerksam durch die Ausstellungsräume ging, hat sie vielleicht schon gesehen: Die neue Direktorin der Kunstmesse. Maike Cruse tritt am 1. Juli das neu eingerichtete Amt an. Bei ihren künftigen Kolleg*innen geniesst sie bereits heute grosses Vertrauen. Dies hat sich an der Art Basel-Pressekonferenz, die Mitte Juni zur Eröffnung stattgefunden hatte, gezeigt. «Wir könnten uns keine bessere Person für die Leitung des nächsten Kapitels der Messe vorstellen und sind zuversichtlich, dass die Art Basel in Basel unter ihrer Führung die wichtigste Plattform für Galerien weltweit bleiben wird», erklärte etwa Art Basel-CEO Noah Horowitz bei seiner Rede am Eröffnungstag der Messe. 

Wir könnten uns keine bessere Person für die Leitung des nächsten Kapitels der Messe vorstellen.

Noah Horowitz, CEO Art Basel

Und Vincenzo de Bellis, der Art Basel-Direktor für Messen und Ausstellungsplattformen weltweit, sekundierte: «Ich bin zuversichtlich, dass sie mit ihrem kollaborativen Geist und der Zusammenarbeit mit unseren Kolleg*innen noch engere Beziehungen zu unseren vielen Partner*innen und Interessengruppen in der Stadt knüpfen wird.» Dann trat Cruse selbst kurz auf das Podium: «Ich habe die Familie nie wirklich verlassen und bin froh, zurück zu sein.» Während der nächsten Tage sah man sie dann öfter zusammen mit Andreas Bicker, dem Leiter der Abteilung Business & Management Europa, über das Messegelände laufen, auch die Nebenmesse Liste und die Swiss Art Awards in unmittelbarer Nachbarschaft liessen die beiden nicht aus.

Mit Basel gut vertraut

Cruse, die 1975 in Bielefeld geboren wurde und ursprünglich Kunst in London studierte, dürfte sowohl die Messe, als auch die Stadt Basel gut vertraut sein. Nicht nur, weil sie als Direktorin des Gallery Weekend Berlin schon aus beruflichen Gründen die Art Basel in den vergangenen Jahren regelmässig besucht hat. Tatsächlich ist ihre Berufung auch eine Art Rückkehr an den Rhein: von 2008 bis 2011 arbeitete Cruse bereits als Leiterin der Kommunikationsabteilung für die Messegesellschaft. Dann zog sie zurück in die deutsche Hauptstadt, wo sie Mitte der 2000er bereits die Kommunikation der Gegenwartskunstinstitution KW sowie der Berlin Biennale geleitet hatte.

In den vergangenen neun Jahren, von 2014 bis zu diesem Sommer arbeitete sie als Direktorin für das Gallery Weekend Berlin, ein konzertiertes Eröffnungswochenende, an dem die rund fünfzig massgeblichen Hauptstadtgalerien ihre besten Ausstellungen der Saison zeigen.

Cruse ist eine wahnsinnig coole Direktorin gewesen, weil sie unglaublich gut mit Künstlern und Galeristen arbeiten kann.

Galerist Jochen Meyer von der Galerie Meyer Riegger gegenüber Handelsblatt

In Berlin gehört Cruse, die ein Kommunikationsprofi ist, seither zu den bekannten und geschätzten Macher*innen im Kulturbereich. Unter ihrer Leitung entwickelte sich das Gallery Weekend Berlin zum wichtigsten Kunsttermin des Jahres. Beharrlich und geräuschlos betrieb Cruse Lobby-Arbeit bei den internationalen Sammler*innen, bei der Berliner Politik und bei den Berliner Galerist*innen selbst. Dass die 19. Ausgabe des Gallery Weekend Berlin, die Ende April stattfand, nach der Pandemie-Durststrecke wieder zur gewohnten Stärke und Vielfältigkeit zurückkehrte, ist nicht zuletzt auch dem Geschick der Direktorin zu verdanken.

Status als Leitmesse festigen

Ein Interview zu ihrer neuen Rolle in Basel wollte Cruse Bajour noch nicht geben. Doch die Herausforderungen in Basel liegen auf der Hand. Mit der Etablierung der Messe Paris + Art Basel hat die Messegesellschaft MCH eine starke Konkurrenz für den traditionellen Messeplatz Basel geschaffen. Cruse muss also Basels traditionellen Status als internationale Leitmesse der Kunstwelt verteidigen und festigen. Sie wird darüber hinaus die Messe im Sinne einer grösseren Nachhaltigkeit und Diversität weiterentwickeln müssen. Und sie wird im Sinne eines florierenden Kunstmarkt-Ökosystems Sorge dafür tragen müssen, dass nicht nur die grössten Galerien von einer Messeteilnahme profitieren, sondern auch die kleineren, mittlernen und jüngeren.

Die Konkurrenz mit Paris sieht Cruse jedenfalls gelassen: «Basel muss sich nicht behaupten», erklärte sie kürzlich gegenüber der NZZ am Sonntag. «Die Messen profitieren vielmehr voneinander.» Als naturgegeben sieht Cruse den Erfolg der Basler Messe sicher nicht. Aber Basel hat im Vergleich zu Paris seine eigenen Qualitäten, die es beständig weiterentwickeln und während der Messewoche geschickt ausspielen muss. «Basel ist eine Kunst- und Kulturstadt mit erstklassigen Ausstellungen und einzigartigen Museen und Institutionen, was zu einem unglaublich intensiven und konzentrierten Kunsterleben führt, das man so in den Metropolen nicht hat. Das möchte ich zur Geltung bringen. Dazu ist es wichtig, dass alle Akteure eng zusammenarbeiten» sagte Cruse der NZZ. «Sobald ich im Juli anfange, möchte ich alle treffen und diese Woche bestmöglich in die Zukunft führen. Die Stadt hat mit einer neuen Willkommenskultur bereits einen grossen Vorstoss unternommen.»

Traurigkeit über den Wechsel

Ihr gewachsenes, internationales Netzwerk dürfte Cruse auch in Basel helfen. So kennen sich etwa Cruse und Elena Filipovic, die designierte Direktorin des Basler Kunstmuseums, mindestens seit der Vorbereitungszeit der 5. Berlin Biennale 2008, die Filipovic als Co-Kuratorin leitete.

In Berlin herrscht nun eine gewisse Traurigkeit über den Wechsel von Cruse nach Basel. Und die Suche nach einer Nachfolgerin von ihrem Format für das Gallery Weekend wird sicher nicht ganz einfach werden. Cruse sei «eine wahnsinnig coole Direktorin gewesen, weil sie unglaublich gut mit Künstlern und Galeristen arbeiten kann und auch mit Sammlern und Politikern», erzählte neulich der in Berlin und Karlsruhe ansässige Galerist Jochen Meyer von der Galerie Meyer Riegger dem Handelsblatt.

Was für Berlin ein Verlust ist, bedeutet für Basel einen Gewinn. Von Cruses Coolness und diplomatischem Geschick wird ab sofort die Stadt im Dreiländereck und ihre wichtigste Messe profitieren.

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